Seite 658 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Verhängnisses über ihm zusammen. Ihn verlangte nach Hilfe und
Weisung. Doch vergeblich suchte er Rat bei Gott. „Der Herr ant-
wortete ihm nicht, weder durch Träume noch durch das Los ‚Licht‘
noch durch Propheten.“
1.Samuel 28,6
. Niemals hatte der Herr einen
Menschen abgewiesen, der aufrichtig und demütig zu ihm kam.
Weshalb wandte er sich von Saul ab, ohne ihm zu antworten? Der
König hatte durch sein eigenes Verhalten die Gunst verwirkt, Gott
auf irgendeine Weise zu befragen. Er hatte den Rat des Propheten
Samuel verworfen, David, den Erwählten Gottes, verbannt und die
Priester des Herrn erschlagen lassen. Konnte er jetzt eine Antwort
von Gott erwarten, nachdem er selbst jede Verbindung zum Himmel
abgeschnitten hatte? Er hatte sich gegen den Geist der Gnade ver-
sündigt, wie konnte er da eine Antwort vom Herrn durch Träume
oder Offenbarungen erwarten? Saul wandte sich nicht in reuiger
Demut zu Gott. Er suchte keine Sündenvergebung und Versöhnung,
sondern lediglich Errettung von seinen Feinden. Halsstarrig und
aufsässig hatte er sich selbst von Gott getrennt. Nun gab es kein
Zurück, es sei denn über den Weg der Reue und Bußfertigkeit. Aber
in seiner Angst und Verzweiflung suchte der stolze Monarch Hilfe
bei einer anderen Quelle. Er sprach zu seinen Getreuen: „Sucht mir
ein Weib, das Tote beschwören kann, daß ich zu ihr gehe und sie be-
frage.“
1.Samuel 28,7
. Saul wußte genau, was Geisterbeschwörung
bedeutete. Der Herr hatte sie ausdrücklich verboten, und alle, die
dergleichen ausübten, standen unter dem Todesurteil. Zu Samuels
Lebzeiten hatte Saul befohlen, alle Wahrsager und Totenbeschwörer
umzubringen. Jetzt nahm er selber zu jenem Orakel Zuflucht, das er
früher als einen Greuel verdammt hatte.
Man berichtete dem König, daß solch eine Frau mit einem Wahr-
sagegeist heimlich in Endor lebte. Sie hatte einen Bund mit Satan
geschlossen und sich ihm ausgeliefert, um seine Pläne vollbringen
zu helfen. Als Lohn wirkte der Fürst der Finsternis Wunder für sie
und ließ sie geheime Dinge wissen.
Verkleidet machte sich Saul mit nur zwei Dienern nachts auf
den Weg zu dem Schlupfwinkel der Zauberin. Wie erbärmlich! Is-
raels König gefangengenommen von dem Willen Satans! Wie düster
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werden eigene Wege, wenn man dem Geiste Gottes beharrlich wider-
steht! Und wie furchtbar ist selbstverschuldete Gebundenheit an den
schlimmsten Tyrannen — an das eigene Ich! Vertrauen zu Gott und