Seite 385 - Das Wirken der Apostel (1976)

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In Freiheit
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könnte. Seine unbeschreibliche Bosheit erregte Abscheu selbst bei
vielen, die gezwungen waren, an seinen Verbrechen teilzunehmen.
Ständig schwebten sie in Furcht davor, auf welche Ungeheuerlich-
keiten er noch verfallen könnte. Doch selbst diese Verbrechen Neros
erschütterten die Ergebenheit seiner Untertanen nicht. Er wurde als
unumschränkter Herrscher über die gesamte zivilisierte Welt aner-
kannt und genoß darüber hinaus Verehrung und Anbetung wie ein
Gott.
Menschlich gesehen war eine Verurteilung des Apostels vor
solch einem Richter so gut wie gewiß. Aber Paulus wußte, daß er
nichts zu fürchten hatte, solange er Gott treu bliebe. Der in der
Vergangenheit sein Schutz gewesen war, konnte ihn auch jetzt vor
dem Haß der Juden und der Macht des Kaisers bewahren.
Und wirklich, Gott beschützte seinen Diener. Beim Verhör des
Paulus wurden die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen nicht
aufrechterhalten. Entgegen allen Erwartungen und aus Rücksicht
auf die Gerechtigkeit, was seinem Charakter völlig widersprach,
ließ Nero den Gefangenen frei. Dem Apostel wurden die Ketten
abgenommen, und er war wieder ein freier Mann.
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Wäre die Verhandlung länger hinausgeschoben worden oder
hätte sich Paulus aus irgendeinem Grunde bis zum nächsten Jahre in
Rom aufgehalten, wäre er zweifellos bei der dann ausbrechenden
Verfolgung umgekommen. Während seiner Gefangenschaft hatte
sich nämlich die Zahl der Bekehrten so vermehrt, daß dadurch die
Aufmerksamkeit und Feindschaft der Behörden ausgelöst wurde.
Der Zorn des Kaisers wurde besonders dadurch erregt, daß sich
selbst Mitglieder seiner eigenen Hofhaltung zu Christus bekannten.
Bald fand er dann auch einen Vorwand für seine erbarmungslose
Grausamkeit Christen gegenüber.
Um diese Zeit brach in Rom eine schreckliche Feuersbrunst
aus, durch die fast die halbe Stadt zerstört wurde. Das Gerücht
ging um, Nero selbst habe den Brand anlegen lassen. Um diesen
Verdacht von sich abzulenken, gab er sich den Anschein besonderer
Großmut, indem er Obdachlosen und Notleidenden Hilfe gewährte.
Dessen ungeachtet beschuldigte man ihn weiterhin des Verbrechens.
Das Volk war erregt und aufgebracht. Um alle Verdächtigungen
zurückzuweisen und gleichzeitig die Stadt von denen zu säubern, die
er fürchtete und haßte, wälzte Nero alle Schuld auf die Christen ab.