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Der große Kampf
Oh, mit wie viel großer Mühe und Arbeit, auch durch gegründete
Heilige Schrift, habe ich mein eigen Gewissen kaum können recht-
fertigen, daß ich einer allein wider den Papst habe dürfen auftreten,
ihn für den Antichrist halten ... Wie oft hat mein Herz gezappelt,
mich gestraft, und mir vorgeworfen ihr einig stärkstes Argument:
Du bist allein klug? Sollten die andern alle irren, und so eine lange
Zeit geirrt haben? Wie, wenn du irrest und so viele Leute in den
Irrtum verführest, welche alle ewiglich verdammt würden? Bis so
lang, daß mich Christus mit seinem einigen gewissen Wort befestigt
und bestätigt hat, daß mein Herz nicht mehr zappelt.
Der Papst hatte Luther den Kirchenbann angedroht, falls er nicht
widerrufen sollte, und die Drohung wurde jetzt ausgeführt. Eine neue
Bulle erschien, welche die endgültige Trennung des Reformators
von der römischen Kirche aussprach, ihn als vom Himmel verflucht
erklärte und in die gleiche Verdammung alle einschloß, die seine
Lehren annehmen würden. Der große Kampf hatte nun mit aller
Gewalt begonnen.
Widerstand ist das Schicksal aller, die Gott benutzt, um Wahr-
heiten, die besonders für ihre Zeit gelten, zu verkündigen. Es gab
eine gegenwärtige Wahrheit in den Tagen Luthers — eine Wahrheit,
die zu jener Zeit von besonderer Wichtigkeit war; es gibt auch eine
gegenwärtige Wahrheit für die heutige Kirche. Gott, der alles nach
dem Rat seines Willens vollzieht, hat es gefallen, die Menschen in
verschiedene Verhältnisse zu bringen und ihnen Pflichten aufzuerle-
gen, die der Zeit, in der sie leben, und den Umständen, in denen sie
sich befinden, entsprechen. Würden sie das ihnen verliehene Licht
wertschätzen, so würde ihnen auch die Wahrheit in höherem Maße
offenbart werden. Aber die Mehrzahl der Menschen begehrt die
Wahrheit heutzutage ebensowenig zu wissen wie damals die Röm-
linge, die Luther widerstanden. Es besteht noch heute die gleiche
Neigung wie in früheren Zeiten, statt des Wortes Gottes Überliefe-
rungen und menschliche Theorien anzunehmen. Wer die Wahrheit
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für diese Zeit bringt, darf nicht erwarten, eine günstigere Aufnahme
zu finden als die früheren Reformatoren. Der große Kampf zwischen
Wahrheit und Irrtum, zwischen Christus und Satan wird bis zum
Ende der Geschichte dieser Welt an Heftigkeit zunehmen.
1
Luther, EA, LIII 93,94; Martyn, „Life and Times of Luther“ 372,373