Seite 200 - Der gro

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Der große Kampf
sen hatten, forderten diese jetzt auf, herauszugehen und die neuen
Lehren zu widerlegen. Aber die Priester und Mönche, welche die
Heilige Schrift und die Kraft Gottes nicht kannten, waren denen,
die sie als ketzerisch und ungelehrt angeklagt hatten, vollkommen
unterlegen. „Leider“, sagte ein katholischer Schriftsteller, „hatte
Luther den Seinigen eingebildet, man dürfe nur den Aussprüchen
der heiligen Bücher Glauben schenken.
Ganze Scharen versam-
melten sich, um zu hören, wie Männer von nur geringer Bildung
die Wahrheit verteidigten, ja sich sogar mit gelehrten und beredten
Theologen auseinandersetzten. Die schmähliche Unwissenheit der
großen Männer wurde offenbar, als man ihren Beweisführungen die
einfachen Lehren des Wortes Gottes entgegenstellte. Handwerker
und Soldaten, Frauen und selbst Kinder waren mit den Lehren der
Bibel vertrauter als die Priester und die gelehrten Doktoren.
Der Unterschied zwischen den Jüngern des Evangeliums und den
Verteidigern des päpstlichen Aberglaubens gab sich nicht minder
in den Reihen der Gelehrten als unter dem gewöhnlichen Volk zu
erkennen. „Die alten Stützen der Hierarchie hatten die Kenntnis der
Sprachen und das Studium der Wissenschaft vernachlässigt, ihnen
trat eine studierende, in der Schrift forschende, mit den Meister-
werken des Altertums sich befreundende Jugend entgegen. Diese
aufgeweckten Köpfe und unerschrockenen Männer erwarben sich
bald solche Kenntnisse, daß sich lange Zeit keiner mit ihnen mes-
sen konnte ... Wo die jungen Verteidiger der Reformation mit den
römischen Doktoren zusammentrafen, griffen sie diese mit solcher
Ruhe und Zuversicht an, daß diese unwissenden Menschen zögerten,
verlegen wurden und sich allgemein gerechte Verachtung zuzogen.
Als die römischen Geistlichen sahen, daß ihre Zuhörerschar ge-
ringer wurde, riefen sie die Hilfe der Behörden an und versuchten,
mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln ihre Anhänger zurück-
zugewinnen. Aber das Volk hatte in den neuen Lehren das gefunden,
was die Bedürfnisse der Seele befriedigte, und wandte sich von jenen
ab, die es so lange mit wertlosen Trebern abergläubischer Gebräuche
und menschlicher Überlieferungen gespeist hatten.
[196]
1
D‘Aubigné, ebd., 9.Buch, 11.Abschnitt, 86f.
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D‘Aubigné, ebd., 9.Buch, 11.Abschnitt, 86f.