Seite 326 - Der gro

Basic HTML-Version

322
Der große Kampf
Im frühen Mannesalter jedoch geriet er in die Gesellschaft von Dei-
sten, die um so größeren Einfluß auf ihn ausübten, da die meisten
gute Bürger, menschenfreundliche und wohltätige Leute waren, de-
ren Charakter, da sie inmitten christlicher Einrichtungen wohnten,
teilweise das Gepräge ihrer Umgebung angenommen hatte. Die Vor-
züge, die ihnen Achtung und Vertrauen gewannen, hatten sie der
Bibel zu verdanken; und doch waren diese guten Gaben so ver-
fälscht worden, daß sie einen dem Worte Gottes zuwiderlaufenden
Einfluß ausübten. Der Umgang mit ihnen ließ Miller ihre Anschau-
ungen teilen. Die allgemein übliche Auslegung der Schrift schien
ihm unüberwindliche Schwierigkeiten zu bieten, doch auch seine
neue Glaubensüberzeugung, die die Bibel beiseitesetzte, hatte nichts
Besseres zu geben, das ihre Stelle hätte einnehmen können, und er
fühlte sich keineswegs befriedigt. Immerhin bekannte er sich un-
gefähr zwölf Jahre zu diesen Auffassungen. Als er vierunddreißig
Jahre alt war, bewirkte der Heilige Geist in ihm die Überzeugung,
daß er ein Sünder sei. Er fand in seinem früheren Glauben nicht die
Gewißheit einer Glückseligkeit jenseits des Grabes. Die Zukunft
war düster und unheimlich. Von seinen Gefühlen zu jener Zeit sagte
er später:
„Vernichtet zu werden, das war ein kalter, schauriger Gedanke,
und Rechenschaft ablegen zu müssen, wäre der sichere Untergang
aller gewesen. Der Himmel über meinem Haupte war wie Erz, und
die Erde unter meinen Füßen wie Eisen. Die Ewigkeit — was war
sie? Und der Tod — warum war er? Je mehr ich diese Dinge zu
ergründen suchte, desto weiter entfernte ich mich von der Beweis-
führung. Je mehr ich darüber nachdachte, desto zerfahrener wurden
meine Schlüsse. Ich versuchte, dem Denken Einhalt zu gebieten,
aber meine Gedanken ließen sich nicht beherrschen. Ich fühlte mich
wahrhaft elend, wußte jedoch nicht warum. Ich murrte und klagte,
ohne zu wissen über wen. Ich war überzeugt, daß irgendwo ein Feh-
ler lag, wußte aber nicht, wo oder wie das Richtige zu finden sei. Ich
trauerte, jedoch ohne Hoffnung.“
[322]
In diesem Zustand verharrte Miller mehrere Monate. „Plötzlich“,
sagte er, „prägte sich meinem Gemüt lebhaft der Charakter eines
Heilandes ein. Es schien mir, als gebe es ein Wesen, so gut und
barmherzig, daß es sich selbst für unsere Übertretungen als Sühne
anbietet und uns dadurch vor der Strafe für die Sünde rettet. Unmit-