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Die erste große Täuschung
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chend, sie können von einfachen Leuten verstanden werden. Wel-
ches aufrichtige Gemüt kann aber in der üblichen Lehre Weisheit
oder Gerechtigkeit sehen? Sollen die Gerechten nach der Untersu-
chung ihrer Fälle im Gericht das Lob empfangen: „Ei du frommer
und getreuer Knecht ... gehe ein zu deines Herrn Freude!“ (
Mat-
thäus 25,21
), wenn sie vielleicht schon jahrhundertelang in seiner
Gegenwart verweilt haben? Sollen die Gottlosen von dem Ort der
Qual weggerufen werden, um von dem Richter der ganzen Erde das
Urteil zu vernehmen: „Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das
ewige Feuer“?
Matthäus 25,41
. Welch ein Spott! Welch schändliche
Anklage gegen die Weisheit und Gerechtigkeit Gottes!
Die Theorie von der Unsterblichkeit der Seele war eine der
falschen Lehren, die Rom dem Heidentum entlehnte und mit der
christlichen Religion vermengte. Martin Luther reihte sie „den zahl-
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losen Ausgeburten des römischen Misthaufens der Dekretalen an“
In seinen Anmerkungen zu den Worten Salomos im Prediger, daß die
Toten nichts wissen, sagt der Reformator. „Ein weiterer Beweis, daß
die Toten bewußtlos sind. Salomo denkt deshalb, die Toten schliefen
gänzlich, und dächten an nichts. Sie liegen, ohne Tage oder Jahre zu
rechnen; doch wenn sie aufwachen, wird es ihnen vorkommen, als
ob sie nur einen Augenblick geschlafen hätten.
Nirgends in der Heiligen Schrift ist die Erklärung zu finden,
daß die Gerechten ihre Belohnung oder die Gottlosen ihre Strafe
beim Tode erhalten. Die Erzväter und Propheten haben keine solche
Zusicherung hinterlassen. Christus und seine Apostel haben nichts
Derartiges angedeutet. Die Bibel lehrt deutlich, daß die Toten nicht
unmittelbar in den Himmel eingehen, sondern bis zur Auferstehung
schlafen. (
1.Thessalonicher 4,14
;
Hiob 14,10-12
.) An demselben
Tage, an dem der „silberne Strick“ wegkommt und die „goldene
Schale“ zerbricht (
Prediger 12,6
), werden des Menschen Gedanken
zunichte. Die in das Grab hinunterfahren, verharren in Schweigen.
Sie wissen nichts mehr von allem, was unter der Sonne geschieht.
Hiob 14,21
. Selige Ruhe für die müden Gerechten! Die Zeit, sei
sie kurz oder lang, ist nur ein Augenblick für sie! Sie entschlafen
und werden durch die Posaune Gottes zu einer herrlichen Unsterb-
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Petavel, „The Problem of Immortality“ 255
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Luthers Werke, St. L., Bd. V, 1535f.