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Der große Kampf
zu entmachten und überhaupt eine Dezentralisierung zu erreichen.
In zahlreichen Sitzungen und Abstimmungen des Konzils kristalli-
sierte sich dann die Erkenntnis heraus, daß die Bischöfe gemeinsam
mit dem Papst ein Kollegium bilden, das die höchste Funktion in
der Kirche ausübt. Das wäre wenigstens formal einer bedeutenden
Aufwertung des Bischofsamtes gleichgekommen, wenn die Konsti-
tution „Über die Kirche“ nicht ausdrücklich einschränkend erklärt
hätte, daß das Bischofskollegium keinerlei Autorität besitze, es sei
denn, es befinde sich in Gemeinschaft mit dem Papst. Der Papst
besitze kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi die volle, oberste
und universale Gewalt über die Kirche, die er in voller Souveränität
ausübt.
Man muß fragen, was bei einer solchen Einschränkung von der
Kollegialität des Bischofsamtes und von der Gemeinsamkeit, mit der
es mit dem Papst die Kirche regieren will, noch übrigbleibt, zumal
Paul VI. ein von einem Jesuiten-Professor der päpstlichen Universi-
tät erstelltes Gutachten über das Verhältnis zwischen päpstlichem
Primat und bischöflicher Kollegialität in Form einer Präambel der
Konstitution „Über die Kirche“ voranstellte. In dieser Erklärung
kommt deutlich zum Ausdruck, daß nur der Papst darüber zu befin-
den habe, ob und wann das Bischofskollegium als solches wirksam
werden kann. In seiner Schlußrede betonte denn auch Paul VI. die
absolute Vorrangstellung des päpstlichen Primats und daß bei der
Heranziehung der Bischöfe zur Mitverantwortung an der Kirchen-
führung keineswegs daran gedacht war, von der Autorität des Papstes
auch nur ein Jota abstreichen zu lassen und ihn gewissermaßen zum
Primus inter pares zu machen. Insofern kann von einer Parlamentari-
sierung der katholischen Kirche, wie man es zuweilen hörte, entfernt
nicht die Rede sein. Der Primat des Papstes blieb unangetastet.
Auch Johannes Paul II., auf dem Papststuhl seit 1978, hat unmiß-
verständlich deutlich gemacht, daß er an dem Anspruch des päpstli-
chen Amtes gegenüber der bischöflichen Kollegialität festzuhalten
gedenkt.
Siehe auch die Anmerkung zu S. 564: „Anspruch auf Unfehlbar-
keit“.
Quellen: Aus katholischer Sicht: Diekamp, Katholische Dogma-
tik I, Münster, 1949, 63f.; Encyclopedia Cattolica, hrsg. von Paschi-
ni, Art. Unfehlbarkeit; Kardinal James Gibbons, Der Glaube unse-