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Anmerkungen
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Maria wird zur ‚Gottesmutter‘.“ (Loewenich, Der moderne Katholi-
zismus, 1955, 225.)
Im Mittelalter erfuhr die Marienverehrung eine weitere Steige-
rung. Maria wird zur Hohen Frau, zur Madonna. Der Volksfrömmig-
keit wird sie immer vertrauter als „Unsere liebe Frau“. Als Jungfrau
und Königin ist sie zugleich das Ideal echter Mütterlichkeit. Das
Volk rief Maria als Helferin nicht nur in geistlichen, sondern auch
in weltlichen Nöten an. Die verbreitetste Gebetsform war das Ave
Maria, das mit dem Vaterunser eng verknüpft wurde. Die beliebteste
Form dieses Mariengebetes wurde der Rosenkranz, bei dem „die
Gottesmutter in enger Verbindung mit der Heilsgeschichte betrachtet
wird“.
„Als Förderer der Mariologie erscheinen Bernhard von Clairvaux
und Thomas von Aquin. Bernhard verkündigt: Wer den Sohn fürch-
tet, nehme seine Zuflucht zu Maria! In seiner berühmten Auslegung
deutete er das Hohelied auf das Verhältnis von Christus zu Maria.
Bei Thomas ist Maria das Symbol der Kirche. Diese Anschauung
hat sich in der Gegenwart als ungemein wichtig erwiesen. In der
Tat versteht man die neuere Mariologie nur, wenn man bedenkt, daß
in Maria die Personifikation der Kirche verehrt wird ... Wenn die
Kirche Maria zur Sündlosen, zur Gnadenmittlerin, zur Himmelskö-
nigin erhebt, so spricht sie damit ihr eigenes Selbstbewußtsein aus.“
(Loewenich, Der moderne Katholizismus 228f.)
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Zwei Dogmen lenken den Blick in besonderer Weise auf die
Marienverehrung. Das erste, am 8.12.1854 von Pius IX. proklamiert,
verkündete die unbefleckte Empfängnis Mariä; das zweite, die leib-
liche Aufnahme Mariens in den Himmel, wurde am 1.11.1950 von
Pius XII. verkündet. Das Bedeutsame dieser beiden Dogmen ist, daß
sie in der Heiligen Schrift keinerlei Rückhalt haben, sie können sich
lediglich auf die Tradition berufen. Das Dogma von der unbefleckten
Empfängnis verkündigt die völlige Sündlosigkeit Marias. Es wird
als eine Offenbarung Gottes gewertet; seine Nichtannahme bedeutet
den Verlust der Seligkeit und den Ausschluß aus der Kirche.
Die Dogmatisierung erfolgte nicht durch Konzilsbeschluß, son-
dern kraft päpstlicher Vollmacht, womit schon das geplante Unfehl-
barkeitsdogma vorbereitet wurde. Bei der Begründung des Dogmas
von der leiblichen Himmelfahrt Mariens findet sich u.a. folgender
Satz: „Wenn nach dem Tode der Gottesmutter Maria Gott, ihr Sohn,