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Anmerkungen
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Es läßt sich heute ohne Übertreibung sagen, daß die Inquisition
der größte Schandfleck ist, der auf der römischen Kirche lastet. Sie
hat in hohem Maße dazu beigetragen, die Glaubwürdigkeit des Chri-
stentums zu untergraben. Noch im 19. Jahrhundert finden sich in der
katholischen Presse positive Äußerungen über die Inquisition. Die
Analecta Ecclesiastica, eine Zeitschrift, brachte 1895 den Abdruck
eines Inquisitionsurteils vom 28.2.1484, dem sich ein überschwengli-
ches Loblied auf die heilsame Einrichtung der Ketzerverbrennungen
aus der Feder eines Kapuzinerpaters anschloß: „O ihr gesegneten
Flammen der Scheiterhaufen, durch welche durch die Beseitigung
ganz weniger und äußerst verworfener Menschen Hunderte und aber
Hunderte von Seelen aus dem Rachen des Irrtums und der ewigen
Verdammnis herausgerissen wurden!“
Der spanische Großinquisitor Torquemada (1420-1498) und der
Inquisitor de Epila, unter denen Hunderte von Christen hingerichtet
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wurden, genießen heute hohe und höchste Verehrung in der katholi-
schen Kirche. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein gibt es
Urteile von katholischer Seite, die die Maßnahmen der Inquisition
verteidigen, ja sie sogar für förderungswürdig halten. Zwar haben
sich die Methoden römischer Zwangsmaßnahmen geändert, aber
auch unsere moderne Zeit bietet noch eine Fülle von Repressalien,
die gegenüber Andersgläubigen rücksichtslos eingesetzt werden.
Erst in allerjüngster Vergangenheit waren Versuche, den Prote-
stanten z.B. in Spanien mehr Freiheiten zu verschaffen, erfolgreich.
Darüber hinaus lassen gewisse, während des zweiten Vatikanischen
Konzils sichtbar gewordene Tendenzen darauf hindeuten, daß die
katholische Kirche bereit scheint, die Andersgläubigen nicht mehr
pauschal als „Ketzer“ zu diffamieren, sondern sie als Gesprächs-
partner anzuerkennen. Wenn man auch hinter diesen Bestrebungen
keineswegs vermuten darf, daß die protestantischen Kirchen als
gleichberechtigt angesehen würden.
Wieviel Unbehagen an der Indizierungspraxis des Heiligen Of-
fiziums selbst innerhalb der katholischen Kirche besteht, beweist
ein Diskussionsbeitrag von Kardinal Frings auf dem Konzil, der
die Methoden dieses höchsten Gremiums der katholischen Kirche
scharf angriff und unter Beifall der Konzilsväter mißbilligte, daß
das Heilige Offizium Menschen verurteile, ohne sie anzuhören oder
ihnen die Möglichkeit der Verteidigung zu geben! Wieweit hier in