Seite 713 - Der gro

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Anmerkungen
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wenn der Vorgesetzte die Ausführung einer sündhaften Handlung
befiehlt; ist seinen Weisungen auch dann Folge zu leisten? ...
Wie alle übrigen Ordensverfassungen gewähren auch die Kon-
stitutionen der Gesellschaft Jesu dem Untergebenen das Recht, ‚be-
scheidene Vorstellungen zu erheben‘, wenn die Gefahr einer Sünde
droht. Dies hat schon Ignatius ausdrücklich gestattet, und in ähnli-
chem Sinne hat später der Ordensgeneral Aquaviva verfügt, daß der
Vorgesetzte dem Untergebenen stets Gelegenheit geben müsse, seine
Einwendungen vorzubringen, ‚damit alles in mildem, väterlichem
Geiste geleitet werde‘.
Diese Hinweise haben jedoch nicht genügt, die Gegner des Or-
dens zu beruhigen, die vielmehr behaupten, für den Jesuiten höre
eben mit der grundsätzlichen Unterdrückung des eigenen Urteils
von vornherein jede Möglichkeit auf, einen Befehl ernstlich zu über-
prüfen; warnt doch Ignatius geradezu vor jedwedem Bedenken oder
Zweifel, ob eine Anordnung zweckmäßig sei und zu Recht erfolge.
Im übrigen bilden auch die Formeln ‚ad quos potest cum caritate
se oboedientia extendere‘ und einige ähnliche Vorbehalte wirklich
die einzigen Einschränkungen des Gebotes zu ‚blindem Gehorsam‘.
Die Konstitutionen des Ordens hingegen verlangen ausdrücklich,
dem Untergebenen habe ‚Wille und Urteil des Oberen als Maßstab
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für den eigenen Willen und das eigene Urteil‘ vorzuschweben; der
vollkommene Gehorsam sei blind, und ‚in dieser Blindheit‘ bestehe
‚seine Weisheit und Vollkommenheit‘.
‚Mögen die übrigen religiösen Genossenschaften‘, schreibt Igna-
tius, ‚uns durch Fasten und Nachtwachen sowie durch andere Stren-
ge in Nahrung und Kleidung übertreffen, so müssen unsere Brüder
durch wahren und vollkommenen Gehorsam, durch den freiwilligen
Verzicht auf eigenes Urteil, hervorleuchten.‘
Große Berühmtheit hat jener Ausspruch Loyolas erlangt, der sich
in ähnlicher Form in den Exerzitien wiederfindet und von welchem
gemeiniglich das Wort vom ‚Kadavergehorsam‘ der Jesuiten abge-
leitet wird: ‚Überhaupt darf ich nicht mir gehören wollen, sondern
meinem Schöpfer und dessen Stellvertreter. Ich muß mich leiten und
bewegen lassen, wie ein Wachsklümpchen sich kneten läßt, muß
mich verhalten wie ein Toter ohne Willen noch Einsicht, wie ein
kleines Kruzifix, das sich ohne Schwierigkeit von einem Platz zum
andern stellen läßt, wie ein Stab in der Hand eines Greises, auf daß