Seite 287 - Das Leben Jesu (1973)

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Die Erwählung der Zwölf
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Ende seine Schwierigkeiten mit ihm, nahmen sich seinen Wandel
zum Vorbild und ließen ihren Charakter und ihre Eigenheiten durch
seinen Einfluß umwandeln.
Die Apostel waren ihren Gewohnheiten und ihrer Veranlagung
nach sehr verschieden. Unter ihnen befanden sich der Zöllner Levi-
Matthäus und der Feuerkopf Simon, der unnachgiebige Feind der
römischen Macht; der kühne, von jedem Ereignis bewegte Petrus
und der niedrig gesinnte Judas; ferner der treuherzige, aber zaghafte
und furchtsame Thomas, Philippus mit seinem trägen Herzen und
seinem zweiflerischen Verstand und die ehrgeizigen, freimütigen
Söhne des Zebedäus mit ihren Gefährten. Diese alle mit ihren ver-
schiedenen Fehlern, mit angeborenen und angewöhnten Neigungen
zum Bösen wurden zusammengebracht, um in Christus und durch
ihn in der Familie Gottes zu wohnen und zu lernen, eins im Glauben,
in der Lehre und im Geist zu werden. Sie würden Prüfungen, Schwie-
rigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zu begegnen haben; aber
wenn Christus in ihren Herzen wohnte, konnte keine Uneinigkeit
unter ihnen sein. Seine Liebe würde sie dahin bringen, einander zu
lieben; die Lehre Jesu würde alle Verschiedenheiten in Einklang
bringen und die Jünger so eng verbinden, bis sie gleichen Sinnes
und gleichen Urteils wären. Christus ist der große Mittelpunkt, und
sie würden sich einander nähern in dem gleichen Verhältnis, wie sie
sich dem Mittelpunkt näherten.
Nachdem Jesus die Unterweisung der Jünger beendet hatte, sam-
melte er die kleine Schar um sich, kniete mitten unter ihnen nieder,
legte seine Hände auf ihre Häupter und weihte sie mit einem Gebet
zu ihrer heiligen Aufgabe. Auf diese Weise wurden die Jünger des
Herrn zum Evangeliumsdienst bestimmt.
Christus erwählt nicht die unschuldigen Engel als seine Stell-
vertreter auf Erden, sondern bestimmt dazu menschliche Wesen, die
die gleichen Eigenschaften haben wie seine erlösungsbedürftigen
Geschöpfe. Christus selbst wurde „gleich wie ein anderer Mensch“
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(
Philipper 2,7
), damit er die Menschheit erreichen konnte; denn nur
das Göttliche im Verein mit dem Menschlichen konnte der Welt Heil
bringen. Das Göttliche brauchte das Menschliche als Mittel, um eine
Verbindung zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf herzustel-
len. So ist es mit den Dienern und Boten Jesu. Der Mensch bedarf
einer Macht, die außer ihm liegt, um in ihm wiederum das Ebenbild