Seite 307 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 32: Der Hauptmann
Auf der Grundlage von
Matthäus 8,5-13
;
Lukas 7,1-17
.
Christus hatte zu dem königlichen Beamten, dessen Sohn von
ihm geheilt worden war, gesagt: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wun-
der seht, so glaubt ihr nicht.“
Johannes 4,48
. Es betrübte ihn, daß
sein eigenes Volk äußerliche Beweise seines Messiasamtes verlang-
te. Immer wieder hatte er sich über ihren Unglauben gewundert.
Er war deshalb sehr erstaunt über den Glauben des Hauptmanns,
der zu ihm kam. Der Hauptmann zweifelte nicht an der Macht des
Heilandes, er bat ihn nicht einmal, persönlich zu ihm zu kommen,
um das Wunder zu wirken. „Sprich nur ein Wort“, sagte er voller
Glauben und Vertrauen, „so wird mein Knecht gesund.“
Matthäus
8,8
.
Der Knecht war gichtbrüchig und lag im Sterben. Bei den Rö-
mern waren die Diener Sklaven. Sie wurden auf den Märkten ge-
kauft; sie wurden beschimpft und grausam behandelt. Dieser Haupt-
mann aber war seinem Diener zugetan und wünschte herzlich seine
Genesung. Er glaubte, daß Jesus ihn heilen könne. Gesehen hatte
er den Heiland zwar noch nicht, aber alles, was er über sein Wirken
bisher vernommen hatte, erweckte seinen Glauben. Ungeachtet des
Formenwesens der Juden war dieser Römer überzeugt, daß ihre Reli-
gion besser sei als die seinige. Er hatte schon die Schranken nationa-
len Vorurteils und des Hasses, welche die Sieger von den Besiegten
trennten, durchbrochen, hatte Achtung vor ihrem Gottesdienst be-
kundet und den Juden als ein Anbeter Gottes Aufmerksamkeiten
erwiesen. In der Lehre Christi, wie sie ihm übermittelt worden war,
fand er etwas, was dem Bedürfnis seiner Seele entsprach. Sein gan-
zes geistliches Verlangen kam den Worten des Heilandes entgegen.
Er hielt sich jedoch für unwürdig, in Jesu Nähe zu kommen, und er
bat die jüdischen Ältesten, um die Heilung seines Knechtes zu bitten,
kannten sie doch den großen Lehrer und würden wissen, so dachte
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er, wie sie sich ihm nähern mußten, um seine Gunst zu erlangen.
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