Seite 309 - Das Leben Jesu (1973)

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Der Hauptmann
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sich aber nicht, um Hilfe zu bitten. Er baute nicht auf sein Gutsein,
sondern gab seine große Not als Grund seiner Bitte an. Sein Glaube
erfaßte das wahre Wesen Christi; er glaubte an ihn, nicht nur, weil
dieser ein Wundertäter war, sondern weil er in ihm den Freund und
Heiland der Menschheit sah.
So sollte jeder Sünder zu Christus kommen. Er rettete uns, „nicht
um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern
nach seiner Barmherzigkeit“.
Titus 3,5
. Wenn Satan dir sagt, daß
du ein Sünder bist und nicht hoffen kannst, Segnungen von Gott zu
empfangen, dann sage ihm, daß Christus in die Welt kam, Sünder
selig zu machen. Wir haben nichts, was uns bei Gott empfiehlt;
der einzige Grund, den wir anführen können, ist unsere äußerst
hilflose Lage, die Jesu erlösende Kraft für uns notwendig macht.
Alles Selbstvertrauen aufgebend, dürfen wir zum Kreuz auf Golgatha
blicken und sagen: Da ich dir nichts bringen kann, schmieg ich an
dein Kreuz mich an.
Die Juden waren von Kindheit an über die Aufgabe des Mes-
sias unterrichtet worden und besaßen die heiligen Aussprüche der
Patriarchen und Propheten und auch die sinnbildlichen Lehren des
Opferdienstes; aber sie hatten das Licht nicht beachtet und sahen
jetzt in Jesus nicht das Wesen, nach dem sie Verlangen haben sollten.
Der Hauptmann jedoch, der im Heidentum geboren, im Götzendienst
des kaiserlichen Rom erzogen, als heidnischer Soldat ausgebildet
und wahrscheinlich durch seine Erziehung und Umgebung vom
geistlichen Leben abgeschnitten war und durch den blinden Eifer
der Juden und die Verachtung seiner eigenen Landsleute dem Volk
Israel gegenüber noch weiter davon getrennt wurde — dieser Mann
erfaßte die Wahrheit, gegen welche die Kinder Israel blind waren.
Er wartete nicht darauf, ob die Juden den aufnehmen würden, der
sich als ihr Messias ausgab; als „das wahrhaftige Licht, welches alle
Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen“ (
Johannes 1,9
),
ihm erschien, da erkannte er selbst aus der Ferne die Herrlichkeit
des Sohnes Gottes.
Das war für Jesus ein Pfand für die Aufgabe, die das Evange-
lium unter den Heiden vollbringen sollte. Mit Freuden sah er dem
Sammeln der Seelen aus allen Völkern für sein Reich entgegen; aber
mit tiefer Trauer schilderte er den Juden die Folgen der Verwerfung
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seiner Gnade: „Ich sage euch: Viele werden kommen vom Osten