Seite 418 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
Er legt seinem Vater auch seine Herzenswünsche für seine Jünger
vor, damit in der Stunde der Finsternis ihr Glaube nicht wanken
möchte. Nachttau fällt auf seine Gestalt; er merkt es nicht. Er achtet
auch nicht der immer tiefer werdenden Dunkelheit. Die Stunden ver-
rinnen. Anfangs vereinigen die Jünger ihre Gebete mit dem Gebet
des Herrn in aufrichtiger Hingabe: bald aber hat die Müdigkeit sie
überwältigt und — sie schlafen ein [engl.: nach einiger Zeit aber
werden sie von Müdigkeit überwältigt und schlafen ein, obwohl sie
versuchen, an dem Geschehen weiterhin Anteil zu nehmen]. Jesus
hat ihnen von seinem Leiden erzählt und sie mitgenommen, um
mit ihnen im Gebet vereint zu sein; gerade für sie betet er. Er hat
die Traurigkeit der Jünger gesehen und sehnt sich danach, ihren
Kummer durch die Versicherung zu bannen, daß ihr Glaube nicht
vergebens sei. Doch nicht alle Zwölf können die Offenbarung, die
er geben will, aufnehmen; nur die drei, die Zeugen seiner Seelen-
angst in Gethsemane sein sollen, hat er erwählt, mit ihm auf dem
Berge zu sein. Er bittet seinen Vater, ihnen doch die Herrlichkeit
zu zeigen, die er bei ihm hatte, ehe die Welt erschaffen war, daß
sein Reich den menschlichen Augen offenbart und die Herzen der
Jünger gestärkt werden möchten, dieses Reich zu schauen. Er fleht
um eine Offenbarung seiner Göttlichkeit, damit sie in der Stunde
seiner tiefsten Leiden getröstet sind durch die Erkenntnis, daß er
wahrhaftig Gottes Sohn ist und sein schmählicher Tod zur Erfüllung
des Erlösungsplanes gehört.
Sein Gebet wird erhört. Während er sich demütig auf dem stei-
nigen Boden vor Gott beugt, öffnet sich plötzlich der Himmel, die
goldenen Tore der Stadt Gottes gehen weit auf, ein heiliger Glanz
wirft sein Licht bis auf den Berg hinab und umhüllt die Gestalt Jesu.
Das Göttliche in ihm leuchtet durch das Menschliche und begegnet
der von oben kommenden Herrlichkeit; die hingestreckte Gestalt er-
hebt sich und steht in göttlicher Majestät auf dem Gipfel des Berges.
Die Seelenqual ist von ihm gewichen; sein Angesicht leuchtet „wie
die Sonne“, und seine Kleider sind „weiß wie das Licht“.
Matthäus
17,2
.
Die Jünger erwachen; sie sehen die flutende Herrlichkeit, die
den ganzen Berg erleuchtet, und schauen in Furcht und Staunen auf
die glänzende Gestalt ihres Meisters. Als ihre Augen sich an das
blendende Licht gewöhnt haben, sehen sie, daß Jesus nicht allein