Seite 512 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
dem Herrn: „Das habe ich alles gehalten; was fehlt mir noch?“
Matthäus 19,20
.
Der Heiland schaute den Jüngling an, als suche er dessen Leben
und Charakter zu erforschen. Er liebte ihn und wünschte herzlich,
ihm jenen Frieden, jene Gnade und Freude zu schenken, die seinen
Charakter entscheidend wandeln würden. Er sagte ihm: „Eines fehlt
dir. Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib‘s den Armen, so
wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach
und nimm das Kreuz auf dich.“
Markus 10,21
.
Der Heiland fühlte sich zu dem Jüngling hingezogen, und er
glaubte an dessen Aufrichtigkeit, als dieser sagte: „Meister, das
habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.“
Markus 10,20
.
Jesus wollte ihm aber jenes Wahrnehmungsvermögen vermitteln,
das ihn die Notwendigkeit der Herzensergebung und christlichen
Güte erkennen ließe. Er hätte gern in ihm ein demütiges, reuevolles
Herz gesehen, das sich der äußersten, von Gott geschenkten Liebe
bewußt und dessen Mängel in der Vollkommenheit Christi verborgen
gewesen wären.
Der reiche Jüngling erschien Jesus besonders geeignet, sein Mit-
arbeiter in der Seelenarbeit zu sein. Unterstellte er sich der Führung
Christi, würde er mit ganz großem Segen wirken. In hohem Grade
hätte der Oberste Christus darstellen können; denn er besaß Ei-
genschaften, die, würde er sich mit dem Heiland verbunden haben,
ihn befähigt hätten, mit göttlicher Macht unter den Menschen zu
wirken. Christus, seinen Charakter erkennend, liebte ihn, und Lie-
be zu Christus war im Herzen des Obersten erwacht; denn Liebe
erzeugt Gegenliebe. Jesus wünschte in ihm einen Mitarbeiter zu
sehen. Er wollte ihn sich selbst gleich machen, zu einem Spiegel,
der das Ebenbild Gottes widerstrahlen würde. Es verlangte ihn, die
Vortrefflichkeit seines Charakter zu entfalten und ihn für den Evan-
geliumsdienst zu heiligen. Hätte sich der reiche Jüngling Christus
geweiht, wäre er in seiner Gegenwart gewachsen. Hätte er diese
Wahl getroffen, wie anders wäre sein Leben verlaufen!
„Eines fehlt dir“ (
Markus 10,21
), sagte Christus zu ihm. „Willst
du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib‘s
den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm
und folge mir nach!“
Matthäus 19,21
. Christus las im Herzen des
Jünglings, dem nur eines fehlte; doch dieses eine war lebensnot-
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