Seite 527 - Das Leben Jesu (1973)

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„Lazarus, komm heraus!“
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Gottes sehen solltest, so du glauben würdest! Natürliche Hindernisse
können das Werk des Allmächtigen nicht aufhalten. Zweifel und
Unglauben beweisen keine Demut. Blinder Glaube an Christi Worte
entspricht wahrer Demut und echter Selbsthingabe.
„Hebt den Stein weg!“ Christus hätte dem Stein gebieten können,
daß er sich erhebe, und dieser würde dem Machtwort des Herrn
gehorcht haben; er hätte dies auch den Engeln, die ihn umgaben,
befehlen können. Auf sein Gebot hin würden unsichtbare Hände
den Stein weggewälzt haben; doch sollten Menschenhände dieser
Aufforderung nachkommen. Dadurch wollte Christus zeigen, daß die
Menschen mit Gott zusammenwirken sollen. Was menschliche Kraft
ausführen kann, dazu wird keine göttliche berufen. Gott will auf die
Mitarbeit der Menschen nicht verzichten; er stärkt sie und arbeitet
mit ihnen zusammen, wenn er sich der seinem Dienst gewidmeten
Kräfte und Fähigkeiten bedient.
Der Befehl Jesu ist ausgeführt, der Stein weggerollt. Alles ge-
schieht offen und mit Bedacht, so daß alle sehen können, daß kein
Betrug im Spiele ist. Vor ihnen liegt kalt und stumm der Leichnam
des Lazarus in seinem Felsengrab. Das Schluchzen der Leidtragen-
den ist verstummt. Erstaunt und erwartungsvoll umstehen sie das
Grab und warten der Dinge, die da kommen sollen.
Ruhig steht der Heiland vor dem Grab. Ein heiliger Ernst liegt
auf allen Anwesenden. Jesus tritt näher an die Grabstätte heran. Zum
Himmel aufblickend, spricht er: „Vater, ich danke dir, daß du mich
erhört hast.“
Johannes 11,41
. Kurz vorher erst hatten Jesu Feinde
ihn der Gotteslästerung angeklagt und Steine aufgenommen, „daß
sie ihn steinigten“, weil er beanspruchte, Gottes Sohn zu sein. Sie
beschuldigten ihn, durch Satans Macht Wunder zu wirken. Doch
hier nimmt Jesus erneut Gott als seinen Vater in Anspruch und in
vollkommenem Vertrauen erklärt er, Gottes Sohn zu sein.
In allem, was er tat, wirkte Jesus mit seinem Vater zusammen.
Stets war er darauf bedacht, deutlich zu machen, daß sein Wirken
nicht unabhängig von Gott geschah, sondern daß er seine Wunder
wirkte durch Glauben und Gebet. Er wünschte, daß alle seine Ver-
bindung mit seinem Vater kennen sollten. „Vater“, sprach er, „ich
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danke dir, daß du mich erhört hast. Ich wußte wohl, daß du mich
allezeit hörst; aber um des Volks willen, das umhersteht, habe ich
geredet, damit sie glauben, daß du mich gesandt hast.“
Johannes