Seite 528 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
11,41.42
. Mit diesen Worten wurde den Jüngern und dem Volk der
überzeugendste Beweis der engen Verbindung zwischen Christus
und Gott gegeben. Ihnen wurde gezeigt, daß Christi Anspruch kein
Betrug war.
„Da er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm
heraus!“
Johannes 11,43
. Seine klare, durchdringende Stimme klingt
an das Ohr des Toten. Während er spricht, bricht das Göttliche durch
seine menschliche Natur hindurch. In seinem Antlitz, das von der
Herrlichkeit Gottes erleuchtet ist, liest das Volk die Gewißheit seiner
Macht. Jedes Auge ist fest auf den Eingang der Höhle gerichtet,
jedes Ohr gespannt, das leiseste Geräusch zu erhaschen. Mit tiefer,
schmerzlicher Anteilnahme warten alle auf das Zeugnis der Gött-
lichkeit Christi, auf den Beweis, der seinen Anspruch, Gottes Sohn
zu sein, bekräftigt oder die Hoffnung seiner Anhänger für immer
zunichte macht.
Es regt sich in dem stillen Grab, und Lazarus, der tot war, steht im
Eingang der Felsengruft. Seine Bewegungen sind behindert durch die
Sterbekleidung, in der er zur Ruhe gelegt wurde, und Christus sagt
zu den in Erstaunen versetzten Anwesenden: „Löset die Binden und
lasset ihn gehen!“
Johannes 11,44
. Wieder wurde ihnen vor Augen
geführt, daß der Menschensohn mit Gott zusammenarbeitet, um als
Mensch für den Menschen zu wirken. Lazarus ist frei und steht vor
den Versammelten, nicht als einer, der von Krankheit ausgezehrt ist,
mit schwachen, wankenden Gliedern, sondern als ein Mann in den
besten Jahren und in der vollen Kraft seiner stattlichen Männlichkeit.
Aus seinen Augen blicken Klugheit und Liebe für den Heiland.
Anbetend wirft er sich ihm zu Füßen.
Zuerst sind die am Grabe Weilenden sprachlos vor Verwunde-
rung. Dann folgt ein unbeschreibliches Jubeln und Danken. Die
Schwestern erhalten ihren Bruder als eine Gabe von Gott zurück,
und unter Freudentränen stammeln sie dem Heiland ihren Dank.
Doch während die Geschwister und die Freunde sich freuen, wieder
vereint zu sein, verläßt der Heiland den Schauplatz. Als sie sich nach
ihm, dem Lebensquell, umschauen, ist er nirgends zu finden.
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