Seite 531 - Das Leben Jesu (1973)

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Die Anschläge der Priester
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Verordnung beschlossen, jeden, der sich zu Jesus bekennen würde,
aus der Synagoge auszuschließen.
Als sich die Priester, Obersten und Ältesten zur Beratung versam-
melten, war es ihr fester Entschluß, Jesus, der solche erstaunlichen
Taten vollbrachte, daß sich alle darüber wunderten, zum Schweigen
zu bringen. Pharisäer und Sadduzäer waren sich nähergekommen
als je zuvor. Bisher uneinig, wurden sie eins in ihrer Gegnerschaft
zu Christus. Nikodemus und Joseph hatten auf früheren Sitzungen
die Verurteilung Jesu verhindert. Deshalb wurden sie jetzt nicht zur
Sitzung eingeladen. Es waren zwar noch andere einflußreiche Män-
ner im Hohen Rat, die an Jesus glaubten, doch ihr Einfluß konnte
sich gegen den der böswilligen Pharisäer nicht durchsetzen.
Dennoch wurde zwischen den Mitgliedern der Versammlung
keine Einigung erzielt. Der Hohe Rat war zu jener Zeit keine rechts-
kräftige Körperschaft; er wurde nur geduldet. Einige seiner Ratsmit-
glieder bezweifelten, ob es klug wäre, Jesus zu töten. Sie fürchteten
eine Empörung des Volkes, die die Römer veranlassen könnte, der
Priesterschaft weitere Vergünstigungen zu entziehen und ihr die
Macht zu nehmen, die sie bisher noch besaß. Die Sadduzäer waren
eins in ihrem Haß auf Christus. Dennoch wollten sie bei ihren Maß-
regeln vorsichtig sein, da sie fürchteten, die Römer würden ihnen
ihre hohe Stellung nehmen.
In dieser Ratsversammlung, die zusammengekommen war, um
Pläne zu schmieden, wie sie Christus töteten, war der „Zeuge“ ge-
genwärtig, der die prahlerischen Worte Nebukadnezars gehört hatte,
der Augenzeuge war des götzendienerischen Festmahls Belsazars,
der dabei war, als Christus sich selbst in Nazareth als den Gesalbten
des Herrn ankündigte. Dieser Zeuge war es nun, der den Obersten
bewußt machte, was sie taten. Ereignisse im Leben Christi standen
ihnen mit einer Deutlichkeit vor Augen, die sie beunruhigte. Sie
erinnerten sich des Geschehens im Tempel, als Jesus, damals ein
Kind von zwölf Jahren, vor den Schriftgelehrten stand und ihnen
Fragen stellte, über die sie sich wunderten.
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Das gerade vollbrachte Wunder, die Auferweckung des Lazarus,
zeugte davon, daß Jesus niemand anders war als der Sohn Gottes.
Die alttestamentlichen Schriften, die sich auf Christus bezogen, wur-
den den Ratsmitgliedern in ihrer wahren Bedeutung verständlich.
Verwirrt und beunruhigt, fragten die Obersten: „Was tun wir?“
Jo-