Seite 530 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
erzielten Eindruck auszulöschen. Wie konnten auch Menschen dem
abspenstig gemacht werden, dem es gelungen war, einen Toten der
Fessel des Grabes zu entreißen? Lügenhafte Berichte wurden in
Umlauf gesetzt, doch die Wundertat konnte nicht geleugnet werden,
und die Sadduzäer wußten nicht, wie sie deren Eindruck begegnen
sollten. Bisher hatten sie dem Plan, Jesus zu töten, nicht zugestimmt.
Nach der Auferstehung des Lazarus jedoch sahen sie ein, daß nur
dadurch, daß sie Jesus töteten, seine unerschrockenen Anklagen
gegen sie unterbunden werden konnten.
Die Pharisäer ihrerseits glaubten an die Auferstehung. Sie ver-
mochten nur nicht in diesem Wunder den Beweis zu erkennen, daß
der Messias mitten unter ihnen war; denn stets hatten sie sein Wirken
bekämpft. Von Anbeginn war er von ihnen gehaßt worden, weil er
ihre scheinheiligen Ansprüche enthüllt hatte. Er hatte den Deckman-
tel strenger Kulterfüllung, unter dem sich ihr sittlicher Niedergang
verbarg, beiseite gerissen. Ihre unaufrichtigen Frömmigkeitsbeteue-
rungen sahen sie von der reinen Frömmigkeit, die er verkündete,
verurteilt. Sie lechzten danach, sich an ihm für seine deutlichen Vor-
würfe zu rächen. Sie hatten ihn herauszufordern gehofft, etwas zu
sagen oder zu tun, das ihnen Gelegenheit geben würde, ihn zu verur-
teilen. Verschiedentlich hatten sie versucht, ihn zu steinigen, aber er
war ruhig aus ihrer Mitte gegangen und ihren Blicken entschwunden.
Die Wunder, die er am Sabbat vollbrachte, galten denen, „die da
Leid tragen“ (
Matthäus 5,4
), die Pharisäer jedoch hatten es darauf
abgesehen, ihn als Sabbatschänder zu verurteilen. Sie hatten ver-
sucht, die Herodianer gegen ihn aufzuwiegeln. Dabei erklärten sie,
er versuche, ein Gegenkönigtum aufzurichten, und sie berieten mit
ihnen, wie sie ihn vernichten könnten. Um die Römer gegen ihn
aufzubringen, hatten sie ausgesagt, daß er sich bemühe, ihre Auto-
rität zu untergraben. Sie nahmen jeden Vorwand zum Anlaß, ihn
vom Volk fernzuhalten. Doch bisher waren ihre Versuche geschei-
tert. Die Menge, die seine Werke der Barmherzigkeit bezeugte und
seine klaren und heiligen Lehren hörte, wußte, daß diese nicht die
Taten und Worte eines Sabbatschänders oder Gottesleugners waren.
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Selbst die Beamten, von den Pharisäern zu ihm gesandt, waren von
seinen Worten so beeindruckt gewesen, daß sie nicht Hand an ihn
zu legen vermochten. In ihrer Wut hatten die Juden schließlich eine