Seite 54 - Das Leben Jesu (1973)

Basic HTML-Version

50
Das Leben Jesu
wurde sein Argwohn aufs neue wach. Die Abneigung der Rabbiner,
ihm den Geburtsort des Messias zu nennen, ließ ihn jetzt vermuten,
daß sie seine Pläne durchschaut und daß die Magier ihn absichtlich
gemieden hatten. Bei diesem Gedanken geriet er außer sich vor
Wut. Nachdem er mit seiner Verschlagenheit nichts ausgerichtet
hatte, blieb ihm als letztes Mittel nur noch die Gewalt. So sollte das
Geschick dieses jungen Königs denn zum abschreckenden Beispiel
werden. Die hochmütigen Juden sollten sehen, was ihrer wartete,
wenn sie versuchten, gegen ihn einen Aufruhr anzuzetteln und an
seiner Statt einen anderen Herrscher einzusetzen.
Sofort sandte Herodes Kriegsknechte nach Bethlehem mit dem
Befehl, alle Kinder im Alter von zwei Jahren und darunter zu töten.
Die stillen Behausungen der Stadt Davids wurden zum Schauplatz je-
ner Schreckensszenen, die sechshundert Jahre zuvor dem Propheten
kundgetan worden waren: „Zu Rama hat man ein Geschrei gehört,
viel Weinen und Heulen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich
nicht trösten lassen.“
Matthäus 2,18
.
Dieses Unheil hatten die Juden selbst über sich gebracht. Wären
sie gläubig und demütig vor Gott gewandelt, dann hätte er in sehr
deutlicher Weise dem Zorn des Königs wehren können. Doch sie hat-
ten sich durch ihre Sünden von Gott getrennt und den Heiligen Geist,
ihren einzigen Schutz, verworfen. Sie hatten die Schrift nicht studiert
in dem Verlangen, dem Willen Gottes nachzukommen. Sie hatten
lediglich nach Weissagungen gesucht, die sich für sie günstig aus-
legen ließen und dafür zu sprechen schienen, daß Gott alle übrigen
Völker verachtete. Stolz hatten sie damit geprahlt, daß der Messias
als König kommen, seine Feinde besiegen und in seinem Zorn die
Heiden zerstampfen werde. Dadurch war der Haß ihrer Herrscher
hervorgerufen worden. Vor allem aber hatte Satan die Juden zu einer
solchen falschen Darstellung der Sendung Christi verleitet in der
Absicht, den Untergang des Heilandes herbeizuführen. Nun aber fiel
alles auf ihr eigenes Haupt zurück.
[50]
Dieses grausame Vorgehen sollte eine der letzten Handlungen
sein, mit denen Herodes seine Herrschaft besudelte. Nicht lange
nach dem abscheulichen Kindermord in Bethlehem wurde er selbst
ein Opfer des Schicksals, dem niemand entkommt: er mußte sterben.
Und er starb einen schrecklichen Tod!