Seite 571 - Das Leben Jesu (1973)

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Kapitel 64: Ein verurteiltes Volk
Auf der Grundlage von
Markus 11,11-14.20.21
;
Matthäus 21,17-19
.
Der Triumphzug Jesu in die Stadt Jerusalem gab nur einen schwa-
chen Vorgeschmack seiner Wiederkunft in den Wolken des Himmels
mit großer Kraft und Herrlichkeit inmitten der Siegesfreude der En-
gel und der Heiligen. Dann werden seine Worte an die Pharisäer
und Priester sich erfüllen: „Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen,
bis ihr sprecht: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“
Matthäus 23,39
. Der Prophet Sacharja hatte im Gesicht jenen Tag
des entscheidenden Triumphes vorausgesehen und gleichzeitig das
Schicksal derer geschaut, die Christus bei seinem ersten Kommen
verwerfen würden: „Sie werden mich ansehen, den sie durchbohrt
haben, und sie werden um ihn klagen, wie man klagt um ein einziges
Kind, und werden sich um ihn betrüben, wie man sich betrübt um
den Erstgeborenen.“
Sacharja 12,10
. Dieses Geschehen sah auch
Jesus voraus, als er die Stadt erblickte und über sie weinte. In dem
zeitlichen Verderben Jerusalems erkannte er die endgültige Vernich-
tung jener Menschen, die an dem Blut des Sohnes Gottes schuldig
waren.
Die Jünger sahen den Haß der Juden auf ihren Herrn, sie erkann-
ten aber noch nicht, wohin er führen werde. Sie verstanden weder
den wahren Zustand Israels, noch begriffen sie die Vergeltung, die
Jerusalem ereilen sollte. Der Herr mußte ihnen dies alles bildlich
veranschaulichen.
Die letzte Warnung an Jerusalem war vergeblich gewesen. Prie-
ster und Oberste hatten — auf ihre Frage „Wer ist der?“ — das
prophetische Zeugnis aus der Vergangenheit von der Menge noch
einmal gehört, aber sie hatten jene Zeugnisse nicht als göttliche Ein-
gebung anerkannt. Voller Ärger und Bestürzung versuchten sie das
Volk zum Schweigen zu bringen. Es befanden sich auch römische
Beamte in der Menge, und bei diesen klagten Jesu Feinde ihn als
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