Seite 760 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
schweren Tropfen auf die Erde. Dreimal entrang sich seinen Lippen
ein Gebet um Errettung. Der Himmel konnte diesen furchtbaren
Anblick nicht länger ertragen, und Gott sandte einen Boten, um den
Sohn zu trösten und zu stärken.
Der Himmel sah das Opfer verraten in der Hand des mörderi-
schen Volkes und mit Spott und Gewalt von einer Gerichtsverhand-
lung zur anderen gehetzt. Er hörte das Hohngelächter der Verfolger
Jesu, die sich über seine niedere Herkunft lustig machten, und bis zu
ihm drang die mit Fluchen und Schwören bekräftigte Verleugnung
Jesu durch einen seiner Lieblingsjünger. Engel sahen das rasende
Wirken Satans und seine Macht, die er über die Herzen der Men-
schen hatte. Welch ein schreckliches Schauspiel! Der Heiland wurde
um Mitternacht in Gethsemane ergriffen, hin- und hergeschleppt
zwischen Palast und Gerichtshaus, zweimal vor die Priester gestellt,
zweimal vor den Hohen Rat, zweimal vor Pilatus und einmal vor
Herodes; er wurde verhöhnt, gegeißelt, verurteilt und dann, mit der
Bürde des Kreuzes belastet, unter dem Wehklagen der Töchter Je-
rusalems und dem Johlen des Volkshaufens zur Kreuzigungsstätte
geführt.
Schmerzlich bewegt und voller Bestürzung sah der Himmel den
Heiland am Kreuz hängen. Blut strömte von seinen verwundeten
Schläfen herab, und blutig gefärbter Schweiß stand auf seiner Stirn.
Von seinen Händen und Füßen fiel das Blut tropfenweise auf den
Felsen, in den das Kreuz eingelassen war. Die von den Nägeln
gerissenen Wunden wurden durch das Gewicht des Körpers immer
größer. Sein Atem ging tief und stoßweise, als seine Seele unter
der Sündenlast der ganzen Welt ächzte. Der ganze Himmel war
von Verwunderung erfüllt, als Jesus inmitten dieser furchtbaren Not
betete: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“
Lukas 23,34
. Doch das Kreuz umstanden nach dem Bilde Gottes
gestaltete Menschen, die sich zusammengetan hatten, das Leben des
eingeborenen Gottessohnes zu vernichten. Welch ein Anblick für
die himmlischen Welten!
Alle Mächte und Gewalten der Finsternis waren um das Kreuz
versammelt und warfen den höllischen Schatten des Unglaubens
in die Herzen der Menschen. Als Gott diese Wesen schuf, damit
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sie vor seinem Thron stünden, waren sie schön und herrlich. Ihre
Schönheit und Heiligkeit entsprach ihrer hohen Stellung. Sie waren