Seite 790 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
Leib des Herrn aus der festen Umhüllung. Aber es war Jesu Hand,
die die Tücher faltete und sie an ihren Platz legte. In den Augen
dessen, der die Sterne genauso lenkt wie die winzigsten Atome, ist
nichts unwichtig. Ordnung und Vollkommenheit sind das Kennzei-
chen aller seiner Werke.
Maria war den Jüngern wieder zum Grabe gefolgt. Als diese aber
nach Jerusalem zurückkehrten, blieb sie zurück. Sie schaute wieder
in das leere Grab, und ihr Kummer wuchs. Da sah sie die zwei Engel
im Grabe stehen — zu Häupten und zu Füßen der Stelle, wo Jesus
gelegen hatte. „Und dieselben sprachen zu ihr: Weib, was weinest
du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen,
und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“
Johannes 20,13
.
Darauf wandte sie sich von den Engeln ab. Sie meinte, sie müs-
se jemanden finden, der ihr Auskunft geben könnte, was mit Jesu
Leichnam geschehen sei. Da wurde sie von einer anderen Stimme
angesprochen: „Weib, was weinest du? Wen suchest du?“ Mit durch
Tränen verdunkeltem Blick erkannte Maria die Gestalt eines Man-
nes. Sie glaubte, es sei der Gärtner, und fragte ihn: „Herr, hast du
ihn weggetragen, so sage mir, wo hast du ihn hingelegt, so will ich
ihn holen.“
Johannes 20,15
. Sollte des reichen Mannes Grabstätte
zu ehrenvoll gewesen sein für Jesus, dann würde sie selbst einen
Platz für ihn zu finden wissen. Sie dachte an die Gruft, aus der Jesu
eigene Stimme einen Toten herausgerufen hatte; es war das Grab des
Lazarus. Könnte sie dort nicht einen guten Ruheort für ihren Herrn
finden? Sie fühlte, daß es für sie in ihrem Kummer sehr tröstlich
wäre, wenn sie sich um den Leichnam des Gekreuzigten kümmerte.
Doch plötzlich sagte Jesus in der ihr so wohlbekannten Stimme
zu ihr: „Maria!“ Auf einmal wußte sie, daß es kein Fremder war,
der sie auf diese Weise anredete, und als sie sich umdrehte, sah sie
Christus lebendig vor sich stehen. In ihrer Freude vergaß sie, daß
er inzwischen gekreuzigt worden war. Sie stürzte auf ihn zu, als
wollte sie seine Füße umschlingen, und rief: „Rabbuni! das heißt:
Meister!“ Da erhob Jesus seine Hand und sagte ihr: „Rühre mich
nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Gehe aber
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hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem
Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Johannes 20,16.17
. Und Maria eilte zu den Jüngern, um ihnen die
frohe Botschaft zu bringen.