Seite 810 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
wieder ins Gedächtnis; doch zeigten sie eine merkwürdige Scheu,
und schweigend schauten sie den auferstandenen Heiland an.
Lebhaft erinnerten sie sich des Geschehens am See, als Jesus
ihnen geboten hatte, ihm zu folgen. Sie dachten daran, wie sie auf
sein Geheiß hinausgefahren waren und ihre Netze ausgeworfen hat-
ten und wie der Fischzug eine so reiche Beute erbracht hatte, daß
die Netze zu zerreißen drohten. Dann waren sie von Jesus aufge-
fordert worden, ihre Fischerboote zu verlassen, und er hatte ihnen
verheißen, aus ihnen Menschenfischer zu machen. Um ihnen dieses
Erlebnis wieder lebendig werden zu lassen und dessen Eindruck zu
vertiefen, hatte er abermals das Wunder des Fischzuges vollbracht.
Dieses Wunder stellte eine Erneuerung des göttlichen Auftrages an
die Jünger dar. Es führte ihnen vor Augen, daß der Tod ihres Mei-
sters ihre Verpflichtung nicht verringert hatte, die ihnen vom Herrn
zugewiesene Aufgabe zu erfüllen.
Obwohl sie auf den persönlichen Umgang mit dem Herrn und
auf das Bestreiten ihres Lebensunterhaltes aus ihrem früheren Beruf
würden verzichten müssen, würde sich der auferstandene Heiland
dennoch um sie kümmern. Solange sie seinen Auftrag ausführten,
würde er für ihre Bedürfnisse sorgen. Mit der Anweisung, ihr Netz
rechts vom Schiff auszuwerfen, hatte der Heiland eine bestimmte
Absicht verfolgt. An jener Seite stand er am Ufer; das war die Seite
des Glaubens. Arbeiteten sie mit ihm zusammen, indem sie ihre
menschlichen Bemühungen mit seiner göttlichen Macht verbänden,
dann konnte der Erfolg nicht ausbleiben.
Noch eine weitere Lehre, die besonders Petrus anging, mußte
Jesus ihnen erteilen. Daß Petrus den Herrn verleugnet hatte, war
ein schändlicher Gegensatz zu seinen früheren Treuegelöbnissen
gewesen. Er hatte den Herrn entehrt und sich das Mißtrauen seiner
Brüder zugezogen. Diese glaubten, daß er seine frühere Stellung
unter ihnen nicht mehr einnehmen dürfe, und auch er selbst fühlte,
daß er das Vertrauen in seinen guten Namen verscherzt hatte. Ehe er
nun berufen wurde sein Apostelamt wiederaufzunehmen, mußte er
vor ihnen allen den Beweis für seine Reue erbringen. Andernfalls
hätte seine Schuld, obgleich er sie bereute, seinen Einfluß als Diener
Christi untergraben können. Der Heiland schenkte ihm Gelegenheit,
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das Vertrauen seiner Brüder wiederzugewinnen und soweit wie mög-