Seite 154 - Der gro

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Der große Kampf
zu verteidigen. Man war allgemein geneigt, nicht nur ihn und seine
Lehren zu verdammen, sondern wenn möglich auch alle Ketzerei
auszurotten.
Rom hatte die günstigste Gelegenheit gehabt, seine Sache zu
verteidigen. Alles, was es zu seiner Rechtfertigung sagen konnte,
war gesagt worden. Aber der scheinbare Sieg trug die Zeichen der
Niederlage. Künftighin würde der Gegensatz zwischen Wahrheit
und Irrtum deutlicher erkannt werden, da beide sich im offenem
Kampf messen sollten. Von jenem Tage an sollte Rom nie mehr so
sicher stehen, wie es bis dahin gestanden hatte.
Während die meisten Mitglieder des Reichstages Luther der Ra-
che Roms übergeben wollten, sahen und beklagten viele die in der
Kirche herrschende Verderblichkeit und wünschten die Beseitigung
der Mißbräuche, die das deutsche Volk infolge der Verkommenheit
und der Gewinnsucht der Priesterherrschaft dulden mußte. Der Legat
hatte Roms Herrschaft im günstigsten Licht dargestellt. Nun bewog
der Herr ein Mitglied des Reichstages, die Wirkung der päpstlichen
Gewaltherrschaft wahrheitsgetreu zu schildern. Mit edler Entschie-
denheit erhob sich Herzog Georg von Sachsen in jener fürstlichen
Versammlung und beschrieb mit unerbittlicher Genauigkeit die Be-
trügereien und Greuel des Papsttums und deren schlimme Folgen.
Zum Schluß sagte er:
„Da ist keine Scham in Herausstreichung und Erhebung des
Ablasses, man suchet nur, daß man viel Geld zusammenbringe; also
geschieht, daß die Priester, welche die Wahrheit lehren sollten, nichts
als Lügen und Betrug den Leuten vorschwatzen. Das duldet man und
diesen Leuten lohnet man, weil je mehr Geld in den Kasten kommt, je
mehr die Leute beschwatzt werden. Aus diesem verderbten Brunnen
fließt ein groß Ärgernis in die Bäche heraus ... plagen die Armen mit
Bußen ihrer Sünden wegen, verschonen die Reichen, übergehen die
Priester ... Daher nötig ist eine allgemeine Reformation anzustellen,
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welche nicht füglicher als in einem allgemeinen Konzil zu erhalten
ist; darum bitten wir alle, solches mit höchstem Fleiß zu fördern.
Luther selbst hätte die Mißbräuche nicht vortrefflicher und wirk-
samer geißeln können. Die Tatsache aber, daß der Redner ein ent-
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Seckendorff, ebd. S. 328-330