Seite 184 - Der gro

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Der große Kampf
te ihres dürftigen Einkommens und erpreßte Geschenke von den
wohlhabenden Klassen. Doch der Einfluß der Reformbestrebungen
machte sich bereits bemerkbar, und der Ablaßhandel wurde, wenn
ihm auch nicht völlig Einhalt geboten werden konnte, sehr beschnit-
ten, Zwingli weilte noch in Einsiedeln, als Samson, kurz nachdem
er in die Schweiz gekommen war, den Ablaß in einem benachbarten
Ort anbot. Kaum hatte er von dessen Kommen gehört, als er sich ihm
auch schon widersetzte. Die beiden trafen sich nicht, doch stellte
Zwingli die Anmaßungen des Mönches mit solchem Erfolg bloß,
daß Samson die Gegend verlassen mußte.
Auch in Zürich predigte Zwingli eifrig gegen den Ablaßhandel,
und als Samson sich später dieser Stadt näherte, bedeutete ihm ein
Ratsbote, er solle weiterziehen. Schließlich gelang es ihm, durch
eine List sich Eingang zu verschaffen; er wurde jedoch fortgeschickt,
ohne einen einzigen Ablaß verkauft zu haben, und bald darauf verließ
er die Schweiz
Das Auftreten der Pest, des sogenannten „schwarzen Todes“, die
1519 die Schweiz heimsuchte, verlieh den Erneuerungsbestrebungen
starken Auftrieb. Als die Menschen auf diese Weise dem Verderben
unmittelbar gegenübergestellt wurden, sahen viele ein, wie nichtig
und wertlos die Ablässe waren, die sie kürzlich erst gekauft hatten,
und sie sehnten sich nach einem sicheren Grund für ihren Glauben.
In Zürich wurde auch Zwingli aufs Krankenlager geworfen. Er lag
so schwer danieder, daß man auf seine Genesung nicht mehr zu
hoffen wagte und das Gerücht sich verbreitete, er sei tot. In jener
schweren Stunde der Prüfung blieben jedoch seine Hoffnungen und
sein Mut unerschüttert. Im Glauben blickte er auf das Kreuz von
Golgatha und vertraute auf die allgenügsame Versöhnung für die
Sünde. Als er von der Pforte des Todes zurückgekehrt war, predigte
er das Evangelium mit größerer Kraft als je zuvor, und seine Worte
übten eine ungewöhnliche Macht aus. Das Volk begrüßte freudig
seinen verehrten Seelsorger, der ihm wiedergeschenkt war. Mit der
Besorgung der Kranken und Sterbenden selbst beschäftigt gewesen,
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fühlte es wie nie zuvor den Wert des Evangeliums.
Zwingli war zu einem klareren Verständnis der Evangeliums-
wahrheiten gelangt und hatte an sich selbst deren neugestaltende
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Staehelin, Bd. I. S. 144f
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