Seite 205 - Der gro

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Der Protest der Fürsten
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entscheidenden Augenblick, der in der Tat außerordentlich wichtig
war, sich dazu überreden können, einen falschen Weg einzuschlagen.
Wie viele glaubhafte Vorwände und annehmbare Gründe für ihre
Unterwerfung hätten sich finden lassen! Den lutherisch gesinnten
Fürsten war die freie Ausübung ihres Glaubens zugesichert. Diesel-
be Begünstigung erstreckte sich auch auf alle ihre Untertanen, die,
noch ehe die Maßregeln getroffen wurden, die reformierte Lehre
angenommen hatten. Konnte sie dies nicht zufriedenstellen? Wie
vielen Gefahren würde man durch eine Unterwerfung ausweichen!
Doch auf welch unbekannte Wagnisse und Kämpfe würde der Wi-
derstand sie treiben! Wer weiß, ob sich in Zukunft je wieder solch
eine Gelegenheit bieten würde! Lasset uns den Frieden annehmen;
lasset uns den Ölzweig ergreifen, den Rom uns entgegenhält, und
die Wunden Deutschlands schließen. Mit derartigen Beweisgründen
hätten die Reformatoren sich bei der Annahme eines Weges, der
unvermeidlich bald darauf den Umsturz ihrer Sache herbeigeführt
haben würde, rechtfertigen können.
Glücklicherweise erkannten sie den Grundsatz, auf dem diese
Anordnung beruhte, und handelten im Glauben. Was war das für ein
Grundsatz? — Es war das Recht Roms, das Gewissen zu zwingen
und eine freie Untersuchung zu untersagen. Sollten aber sie selbst
und ihre protestantischen Untertanen sich nicht der Religionsfreiheit
erfreuen? — Ja, als eine Gunst, die in der Anordnung besonders
vorgesehen war, nicht aber als ein Recht. In allem, was in diesem Ab-
kommen nicht einbegriffen war, sollte der herrschende Grundsatz der
Autorität maßgebend sein; das Gewissen wurde nicht berücksichtigt;
Rom war der unfehlbare Richter, und ihm muß man gehorchen. Die
Annahme der vorgeschlagenen Vereinbarung wäre ein tatsächliches
Zugeständnis gewesen, daß die Religionsfreiheit (Siehe Anm. 032)
auf das protestantische Sachsen beschränkt werden müßte; was aber
die übrige Christenheit angehe, so seien freie Untersuchung und
das Bekenntnis des reformierten Glaubens Verbrechen, die mit Ker-
ker und Scheiterhaufen zu ahnden wären. Dürften sie der örtlichen
Beschränkung der Religionsfreiheit zustimmen, daß man verkündi-
ge, die Reformation habe ihren letzten Anhänger gewonnen, ihren
letzten Fußbreit erobert? Und sollte dort, wo Rom zu dieser Stunde
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sein Zepter schwang, seine Herrschaft ständig aufgerichtet bleiben?
Könnten die Reformatoren sich unschuldig fühlen an dem Blut jener