Seite 249 - Der gro

Basic HTML-Version

Die Niederlande und Skandinavien
245
und Weise bewandert gewesen, wie die Kirche mit der Ketzerei
umging, so wäre Tausens Stimme nie wieder gehört worden; statt
ihm dem Grabe in irgendeinem unterirdischen Kerker zu übergeben,
jagten sie ihn aus dem Kloster. Nun waren sie machtlos. Ein soeben
veröffentlichter königlicher Erlaß bot den Verkündigern der neuen
Lehre Schutz, und Tausen begann zu predigen. Die Kirchen öffneten
sich ihm, und das Volk strömte herzu, ihn zu hören. Auch andere
predigten das Wort Gottes. Das Neue Testament in dänischer Sprache
wurde überall verbreitet. Die Anstrengungen der Päpstlichen, das
Werk zu stürzen, bewirkte nur seine weitere Ausdehnung, und es
dauerte nicht lange, bis Dänemark offiziell den reformierten Glauben
annahm.
Auch in Schweden brachten junge Männer, die von der Quel-
le Wittenbergs getrunken hatten, das Wasser des Lebens zu ihren
Landsleuten. Zwei der ersten Förderer der schwedischen Reformbe-
strebungen, die Brüder Olaus und Lorenz Petri, Söhne eines Schmie-
des in Oerebro, hatten unter Luther und Melanchthon studiert und
lehrten nun eifrig die Wahrheit, die ihnen auf diese Weise bekannt
geworden war. Gleich dem großen Reformator weckte Olaus das
Volk durch seinen Eifer und durch seine Beredsamkeit auf, wäh-
rend Lorenz sich wie Melanchthon durch Gelehrsamkeit, Denkkraft
und Ruhe auszeichnete. Beide waren Männer von glühender Fröm-
migkeit, vorzüglichen theologischen Kenntnissen und unerschüt-
terlichem Mut bei der Verbreitung der Wahrheit. An päpstlichem
Widerstand fehlte es nicht. Die katholischen Priester wiegelten das
unwissende und abergläubische Volk auf. Olaus Petri wurde oft von
der Menge angegriffen und kam verschiedentlich nur knapp mit
dem Leben davon. Diese Reformatoren wurden jedoch vom König
beschützt und begünstigt.
Unter der Herrschaft der römischen Kirche war das Volk in Ar-
mut versunken und durch Unterdrückung geplagt. Es besaß keine
Heilige Schrift, hatte aber eine Religion, deren Inhalt in Bildern und
Zeremonien bestand, die jedoch dem Gemüt kein Licht zuführten,
so daß es zum Aberglauben und zu den Gewohnheiten seiner heid-
nischen Vorfahren zurückkehrte. Das Volk teilte sich in streitende
[244]
Parteien, deren endlose Kämpfe das Elend aller vermehrten. Der
König entschloß sich zu einer Reformation in Staat und Kirche und