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Bestrebungen des Papsttums
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von den Protestanten in so großer Zahl besuchten Hochschulen und
Seminare in Amerika. Man achte auf das Wachstum des Ritualismus
in England und die häufigen Übertritte zum Katholizismus. Diese
Dinge sollten die Besorgnis aller erregen, die die reinen Grundsätze
des Evangeliums wertschätzen.
Die Protestanten haben sich mit dem Papsttum eingelassen und
es begünstigt; sie haben Verträge und Zugeständnisse gemacht, die
selbst die Katholiken überraschten und die diese nicht verstehen
konnten. Die Menschen verschließen sich dem wahren Charakter
der römischen Kirche und den Gefahren, die von ihrer Oberherr-
schaft zu befürchten sind. Sie müssen aufgerüttelt werden, um dem
Vordringen dieses so sehr gefährlichen Feindes der bürgerlichen und
religiösen Freiheit zu widerstehen.
Viele Protestanten nehmen an, die katholische Religion sei reiz-
los und ihr Gottesdienst eine schale, bedeutungslose Aneinander-
reihung von Zeremonien. Hierin irren sie. Der Gottesdienst der
römischen Kirche ist ein sehr eindrucksvoller Vorgang. Die glän-
zende Prachtentfaltung und die feierlichen Gebräuche bezaubern
die Sinne des Volkes und bringen die Stimme der Vernunft und des
Gewissens zum Schweigen. Das Auge ist entzückt. Prachtvolle Kir-
chen, großartige Festzüge, goldene Altäre, mit Juwelen verzierte
Reliquienschreine, auserlesene Gemälde und kostbare Skulpturen
fesseln den Schönheitssinn. Auch das Ohr wird angesprochen. Die
Musik ist unübertroffen. Wenn die vollen Klänge der feierlich tö-
nenden Orgel, vermischt mit dem Gesang vieler Stimmen, durch die
hohen Kuppeln und säulenreichen Chorgänge der großartigen Kathe-
dralen schwellen, müssen sie unfehlbar die Gemüter mit Ehrfurcht
und heiliger Scheu erfüllen.
Dieser äußerliche Glanz, dies Gepränge und diese Zeremonien
sind ein Beweis ihrer inneren Verderbnis. Christi Religion bedarf
zu ihrer Empfehlung solcher Reize nicht. In dem vom Kreuz aus-
strahlenden Licht erscheint das Christentum so rein und lieblich, daß
keine äußerlichen Zierden seinen echten Wert vergrößern können.
Nur der heilige Schmuck eines sanftmütigen und stillen Geistes hat
bei Gott Wert.
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Ein glanzvoller Stil ist nicht notwendigerweise ein Ausdruck
reiner, erhabener Gedanken. Eine hohe Auffassung von der Kunst
und ein sehr kultivierter Geschmack finden sich häufig in einem