Seite 566 - Der gro

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Der große Kampf
irdischen und sinnlichen Gemüt. Sie werden oft von Satan benutzt,
damit die Menschen die Bedürfnisse ihrer Seele vergessen, die Zu-
kunft und das ewige Leben aus den Augen verlieren, sich von ihrem
allmächtigen Helfer abwenden und ausschließlich für diese Welt
leben.
Eine Religion der Äußerlichkeiten ist für das nicht erneuerte
Herz anziehend. Das Gepränge und die Zeremonien der katholischen
Kirche haben eine verführerische, bestrickende Kraft, durch die viele
getäuscht werden, und zwar so sehr, daß sie die katholische Kirche
als das wirkliche Tor zum Himmel ansehen. Nur solche, die ihre
Füße fest auf den Grund der Wahrheit gestellt haben und deren
Herzen durch den Geist Gottes erneuert sind, werden gegen ihren
Einfluß gesichert sein. Tausende, die keine lebendige Erfahrung mit
Christus gemacht haben, werden dahin geführt, daß sie den Schein
der Gottseligkeit ohne die Kraft annehmen. Gerade eine solche
Religion wünschen sich die meisten.
Durch den Anspruch der Kirche auf das Recht zur Sündenverge-
bung fühlt sich der Katholik berechtigt, zu sündigen, und die Einrich-
tung der Beichte, ohne die sie keine Vergebung gewährt, führt dahin,
dem Bösen Spielraum zu geben. Wer vor einem sterblichen Men-
schen kniet und ihm beichtend die geheimen Gedanken und Triebe
seines Herzens erschließt, erniedrigt seine Menschenwürde und setzt
alle edlen Regungen seines Herzens herab. Wer seine Sünden vor
einem Priester enthüllt — einem irrenden, sündigen Sterblichen, der
nur zu oft durch Wein und Ausschweifung verdorben ist —, dessen
rechtes Maß für den Charakter ist herabgewürdigt und der selbst
infolgedessen verunreinigt. Seine Vorstellung von Gott wird zum
Abbild der gefallenen Menschheit erniedrigt; denn der Priester gilt
als Vertreter Gottes. Dieses erniedrigende Bekenntnis von Mensch
zu Mensch ist die geheime Quelle, aus der viel Böses geflossen ist,
das die Welt verderbt hat und sie zur endgültigen Vernichtung führen
wird. Doch ist es dem, der gegen sich selbst nachsichtig ist, ange-
nehmer, einem Mitmenschen zu beichten, als sein Herz vor Gott zu
offenbaren; es sagt der menschlichen Natur mehr zu, Buße zu tun,
als der Sünde zu entsagen. Es ist leichter, den Körper in Sacktuch
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mit Brennesseln und einschneidenden Ketten zu kasteien, als die
fleischlichen Lüste zu kreuzigen. Schwer ist das Joch, welches das