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Bestrebungen des Papsttums
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genauer nimmt er die Sünde wahr, und desto mehr fühlt er mit den
Leidenden. Der Papst behauptet zwar, der Stellvertreter Christi zu
sein; aber wie hält sein Tun einen Vergleich aus mit dem unseres
Heilandes? Hat Christus jemals Menschen dem Gefängnis oder der
Folter überliefert, weil sie ihm als dem König des Himmels keine
Huldigung erwiesen? Hat er seine Stimme erhoben, um die zum
Tode zu verurteilen, die ihn nicht annahmen? Als die Bewohner
eines samaritischen Dorfes seiner nicht achteten, entrüstete sich der
Apostel Johannes und sagte: „Herr, willst du, so wollen wir sagen,
daß Feuer vom Himmel falle und verzehre sie, wie Elia tat!“ Jesus
blickte mitleidig auf den Jünger; dessen Härte tadelnd, sagte er:
„Der Menschen Sohn ist nicht gekommen, der Menschen Seelen
zu verderben, sondern zu erhalten.“
Lukas 9,54,56
. Wie grundver-
schieden von der durch Christus bekundeten Haltung ist die seines
angeblichen Stellvertreters!
Die römische Kirche bietet heute der Welt ein äußeres Bild der
Sauberkeit, indem sie über ihren Bericht schrecklicher Grausamkeit
einen Mantel von Entschuldigungen breitet. Sie hat sich wohl in
christliche Gewänder gehüllt; in ihrem Wesen jedoch ist sie unver-
ändert. Jeder Grundsatz des Papsttums, der in vergangenen Jahrhun-
derten Geltung hatte, ist auch heute noch gültig. Die in finstersten
Zeiten erlassenen Verordnungen und Lehren werden noch immer
aufrechterhalten. Es täusche sich niemand! Das Papsttum, dem die
Protestanten jetzt die Anerkennung nicht versagen wollen, ist das
gleiche, (Siehe Anm. 056) das zur Zeit der Reformation die Welt be-
herrschte, als Männer Gottes unter Einsatz ihres Lebens aufstanden,
um die Bosheit der römischen-katholischen Kirche bloßzustellen. Es
besitzt den gleichen Stolz, die gleiche hochmütige Anmaßung, die
es sich über Könige und Fürsten erheben ließ und die die Vorrechte
Gottes beanspruchte. Sein Geist ist jetzt nicht weniger grausam und
willkürlich als zu der Zeit, da es die menschliche Freiheit niederwarf
und die Heiligen des Allerhöchsten erschlug.
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Auf das Papsttum trifft genau das von der Prophezeiung ge-
brauchte Bild zu von dem „Abfall, der da kommen soll“. Es gehört
zu seinem diplomatischen Geschick, immer den Charakter anzu-
nehmen, der am besten seinen Absichten dient. „Wir sind nicht
gebunden, den Ketzern Treue und Glauben zu halten“, erklärt die
römische Kirche. Soll nun diese Macht, deren Geschichte während