Seite 614 - Der gro

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Der große Kampf
Leben zu retten. Nachdem er viele Jahre als freiwillig Verbannter
gelebt, hatte er sich auf Gottes Geheiß auf den Weg gemacht, um
mit seinen Weibern und Kindern und mit seinen Herden in seine
Heimat zurückzukehren. Als er die Grenzen des Landes erreichte,
wurde er durch die Nachricht von dem Herannahen Esaus an der
Spitze einer Horde Krieger erschreckt, die ohne Zweifel Rache üben
wollten. Es schien, als müsse Jakobs unbewaffnete und wehrlose
Schar der Gewalt und dem Gemetzel hilflos zum Opfer fallen. Zu der
Unruhe und Furcht kam noch die bedrückende Last der Selbstankla-
ge; denn es war seine eigene Sünde, die diese Gefahr herbeigeführt
hatte. Seine einzige Hoffnung lag in der Gnade Gottes; seine ein-
zige Verteidigung mußte das Gebet sein. Doch ließ er seinerseits
nichts ungetan, um das dem Bruder zugefügte Unrecht zu sühnen
und die drohende Gefahr abzuwenden. So sollten die Nachfolger
Christi beim Herannahen der trübseligen Zeit jede Anstrengung un-
ternehmen, sich dem Volk gegenüber ins richtige Licht zu setzen,
das Vorurteil zu entkräften und die der Gewissensfreiheit drohende
Gefahr abzuwenden.
Nachdem Jakob seine Familie weggeschickt hat, damit sie seinen
Jammer nicht sehe, bleibt er allein, um Gott zu bitten, sich für ihn
ins Mittel zu legen. Er bekennt seine Sünde und anerkennt dankbar
die Gnade Gottes gegen ihn, während er sich in tiefer Demut auf
den mit seinen Vätern geschlossenen Bund und auf die ihm in jener
Nacht zu Bethel und im Lande der Verbannung zuteil gewordenen
Verheißungen beruft. Der Wendepunkt in seinem Leben ist gekom-
men; alles steht auf dem Spiel. In der Finsternis und Einsamkeit
fährt er fort zu beten und sich vor Gott zu demütigen. Plötzlich legt
sich eine Hand auf seine Schulter. Er glaubt, daß ein Feind ihm nach
dem Leben trachte, und ringt mit der Kraft der Verzweiflung mit sei-
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nem Angreifer. Als der Tag zu dämmern beginnt, zeigt der Fremde
seine übermenschliche Kraft; bei seinem Berühren scheint der starke
Mann gelähmt, und er fällt seinem geheimnisvollen Widersacher als
hilfloser, weinender Bittsteller um den Hals. Jakob weiß jetzt, daß er
mit dem Engel des Bundes gerungen hat. Obwohl kampfunfähig und
heftigste Schmerzen leidend, läßt er seine Absicht nicht fahren. Lan-
ge hat er Unruhe, Gewissensbisse und Leid um seiner Sünde willen
erduldet; jetzt muß er die Versicherung haben, daß ihm verziehen ist.
Der göttliche Besucher scheint ihn verlassen zu wollen; aber Jakob