Seite 81 - Der gro

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Die Waldenser
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In vielen Fällen sahen sie den Wahrheitsboten nie wieder. Er war
vielleicht in andere Länder gegangen oder verbrachte sein Leben in
irgendeinem unbekannten Gefängnis oder seine Gebeine bleichten
gar dort, wo er für die Wahrheit gezeugt hatte. Die Worte aber, die er
zurückließ, konnten nicht ausgelöscht werden; sie arbeiteten in den
Menschenherzen, und ihr segensreiches Wirken wird erst im Gericht
völlig erkannt werden.
Die waldensischen Sendboten fielen in Satans Reich ein und
regten dadurch die Kräfte der Finsternis zu größerer Wachsamkeit
an. Jeder Versuch, die Wahrheit zu fördern, wurde von dem Fürsten
der Bosheit überwacht, und er erweckte die Befürchtungen seiner
Helfershelfer. Die führenden Männer der Kirche sahen in dem Wir-
ken dieser bescheidenen Wanderer ein Anzeichen der Gefahr für
ihre Sache. Wenn sie das Licht der Wahrheit ungehindert scheinen
ließen, zerstreute es die schweren Wolken des Irrtums, die das Volk
einhüllten, lenkte die Gemüter der Menschen auf Gott allein und
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richtete am Ende die Herrschaft Roms zugrunde.
Schon allein das Vorhandensein dieser Leute, die den Glauben
der alten Gemeinde aufrechterhielten, war ein beständiges Zeugnis
für Roms Abfall und erregte deshalb bittersten Haß und Verfolgung.
Ihre Weigerung, die Heilige Schrift auszuliefern, galt ebenfalls als
eine Beleidigung, die Rom nicht zu dulden gewillt war. Es beschloß
deshalb, die Anhänger des wahren Glaubens von der Erde zu ver-
tilgen. Jetzt begannen die schrecklichsten Kreuzzüge gegen Gottes
Volk in seinen Gebirgswohnungen. Inquisitoren spürten ihm nach,
und oft geschahen Dinge, die den Brudermord Kains an dem un-
schuldigen Abel von einst wiederholten.
Immer wieder wurden ihre fruchtbaren Äcker verwüstet, ihre
Wohnungen und Kapellen dem Erdboden gleichgemacht, so daß dort,
wo einst blühende Felder und die Behausungen eines unschuldigen,
arbeitsamen Volkes standen, nur eine wüste Einöde übrigblieb. Viele
dieser Zeugen eines reinen Glaubens wurden bis über die Berge
verfolgt und in den Tälern aufgescheucht, in denen sie sich, von
mächtigen Wäldern und Felsspitzen umgeben, verborgen hatten.
Der sittliche Charakter dieser geächteten Christen war über je-
de Beschuldigung erhaben. Sogar ihre Feinde bezeugten, daß sie
ein friedfertiges, stilles, frommes Volk seien. Ihr großes Vergehen
lag nur darin, daß sie Gott nicht nach dem Willen des Papstes die-