Seite 98 - Der gro

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Der große Kampf
Heiligen Schrift. Diese war die Quelle des Segensstromes, der seit
dem 14.Jahrhundert wie Lebenswasser durch die Zeiten fließt. Wi-
klif nahm die Heilige Schrift in unbedingtem Glauben als eine von
Gott eingegebene Offenbarung des göttlichen Willens an, als eine
untrügliche Richtschnur des Glaubens und Handelns. Er war erzo-
gen worden, die römische Kirche als göttliche, unfehlbare Autorität
zu betrachten und die bestehenden Lehren und Gebräuche eines
Jahrtausends mit kritikloser Verehrung anzunehmen; aber er wandte
sich von all diesem ab, um den Lehren des heiligen Wortes Gottes
zu lauschen. Dies war die Autorität, an die zu glauben er das Volk
nachdrücklich aufforderte. Er erklärte, daß nicht die durch den Papst
vertretene Kirche, sondern der in der Heiligen Schrift sich offenba-
rende Gott die einzig wahre Autorität sei. Er lehrte nicht nur, daß
die Bibel eine vollkommene Offenbarung des göttlichen Willens ist,
sondern auch, daß der Heilige Geist ihr einziger Ausleger ist und
jedermann durch das Erforschen ihrer Lehren selbst seine Pflicht
erkennen muß. Auf diese Weise lenkte er die Gemüter der Menschen
vom Papst und von der römischen Kirche auf das Wort Gottes.
Wiklif war einer der größten Reformatoren. An Größe des Ver-
standes, an Klarheit der Gedanken, an Festigkeit, die Wahrheit zu
behaupten und an Kühnheit, sie zu verteidigen, kamen ihm nur we-
nige gleich. Reinheit des Lebens, unermüdlicher Fleiß im Studium
und in der Arbeit, unantastbare Rechtschaffenheit und eine Christus
ähnliche Liebe und Treue in seinem Amt kennzeichneten diesen er-
sten Reformator in einem Zeitalter geistiger Finsternis und sittlicher
Verderbtheit.
Wiklifs Charakter ist ein Zeugnis für die bildende, umgestal-
tende Macht der Heiligen Schrift. Die Bibel machte ihn zu dem,
was er war. Das Streben, die großen Wahrheiten der Offenbarung
zu erfassen, erfrischt und kräftig alle unsere Fähigkeiten, erweitert
den Verstand, schärft die Vorstellungskraft und reift das Urteilsver-
mögen. Das Studium der Heiligen Schrift veredelt wie kein anderes
Studium die Gedanken, Gefühle und jegliches Trachten; es verleiht
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Zielstrebigkeit, Geduld, Mut und Geistesstärke; es läutert den Cha-
rakter und heiligt die Seele. Ein ernstes, andachtsvolles Studium
der Heiligen Schrift, welches das Gemüt des Forschers in unmittel-
bare Berührung mit dem unendlichen Geist bringt, würde der Welt
Menschen bescheren, die einen schärferen und gesünderen Men-