Seite 60 - Das Leben Jesu (1973)

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Das Leben Jesu
von Nazareth wohnte. Diese Tatsache muß alle diejenigen beschä-
men, die meinen, daß die Gunst des Ortes, des Besitzes oder des
Erfolges darüber entscheide, ob jemand ein untadeliges Leben füh-
ren könne oder nicht. Vielmehr erziehen uns gerade Anfechtung,
Not und Unheil zu Reinheit und Standhaftigkeit.
Jesus lebte mit seinen Eltern in einem bescheidenen Häuschen
und trug treulich und freudig seinen Anteil an den Lasten des Haus-
haltes. Der einst Gebieter des Himmels gewesen und dessen Wort
die Engel mit Freuden befolgten, war jetzt ein williger Diener, ein
liebevoller und gehorsamer Sohn. Er erlernte ein Handwerk und
arbeitete mit Joseph zusammen in dessen Zimmermannswerkstatt.
In der einfachen Tracht eines gewöhnlichen Arbeitsmannes ging er
durch die Straßen der kleinen Stadt zu seiner bescheidenen Arbeit
und wieder zurück. Er benutzte seine göttliche Kraft nicht, um seine
Lasten zu verringern oder sich die Arbeit zu erleichtern.
Die Arbeit, die Jesus als Jüngling und als Mann ausübte, war der
Entwicklung von Körper und Geist sehr dienlich. Er arbeitete nicht
einfach drauflos, sondern setzte seine Kräfte ein, daß sie gesund
blieben, damit er in jeder Weise das Beste leisten konnte. Er war
ohne Tadel in seinem Wesen, selbst in seiner Arbeit verschmähte er
fehlerhafte Leistungen. Er war als Handwerker ebenso vollkommen,
wie sein Charakter vollkommen war. Durch sein Beispiel lehrte er,
daß wir die Pflicht haben, fleißig zu sein und unsere Arbeit genau und
sorgfältig auszuführen, und daß solche Arbeit ehrbar ist. Nützliche
Handarbeit gewöhnt nicht nur die Jugend daran, ihren Anteil an den
Lasten des Lebens zu tragen, sondern dient auch der Kräftigung
ihres Körpers und der Ausbildung ihrer Fähigkeiten. Jeder sollte
sich mit etwas beschäftigen, was ihm selbst und auch andern nützt.
Gott hat die Arbeit uns zum Segen gegeben; und nur der Fleißige
kann die wahre Schönheit und Freude des Lebens verspüren. Nur
die Kinder und jungen Menschen erlangen Gottes Wohlgefallen, die
frohgemut die häuslichen Pflichten erfüllen und den Eltern ihre Last
tragen helfen. Solche Kinder werden, wenn sie das Heim verlassen,
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auch nützliche Glieder der Gesellschaft sein.
Während seines ganzen Erdenlebens war Jesus eifrig und be-
ständig am Wirken. Weil er viel erwartete, unternahm er auch viel.
Nachdem er sein Lehramt angetreten hatte, erklärte er: „Ich muß
wirken die Werke des, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es