Seite 61 - Das Leben Jesu (1973)

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Jesu Kindheit
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kommt die Nacht, da niemand wirken kann.“
Johannes 9,4
. Jesus
scheute entgegen vielen seiner angeblichen Nachfolger weder Sor-
ge noch Verantwortung. Gerade deshalb aber, weil sie sich dieser
Zucht entziehen wollen, sind viele schwach und unfähig. Mögen
sie auch vortreffliche und liebenswerte Eigenschaften aufweisen, so
sind sie dabei doch kraftlos und nahezu unbrauchbar, wenn es gilt
Schwierigkeiten entgegenzutreten oder Hindernisse zu überwinden.
Wir brauchen die Zuverlässigkeit und Tatkraft, die Gediegenheit
und Lauterkeit, die Christus bewies, und wir müssen sie in der glei-
chen Schule lernen, die er durchzustehen hatte. Dann wird auch die
Gnade, die er empfing, unser sein!
Solange unser Heiland unter den Menschen weilte, teilte er das
Los der Armen. Da er ihre Sorgen und Nöte aus eigener Erfahrung
kannte, vermochte er sie zu trösten und zu ermutigen. Wer wirklich
begriffen hat, was Jesu Leben uns lehrt, wird nie daran denken,
irgendwelche Klassenunterschiede zu machen, er wird einen Reichen
nicht höher achten als einen würdigen Armen.
Geschickt und mit frohem Mut ging Jesus seiner Arbeit nach.
Es verlangt viel Geduld und Geisteskraft, die Lehren der Heiligen
Schrift zu Hause und am Arbeitsplatz zur Geltung zu bringen und
bei aller Anspannung durch irdische Geschäfte die Ehre Gottes im
Auge zu behalten. Darin wird uns Christus zum Helfer. Er ließ sich
von weltlichen Sorgen nie so weit in Anspruch nehmen, daß er keine
Zeit mehr gehabt hätte, über ewige Dinge nachzudenken. Oft brachte
er die Freude seines Herzens zum Ausdruck, indem er Psalmen und
geistliche Lieder sang. Dann wieder hörten die Einwohner Nazareths
seine Stimme sich in Lobpreis und Danksagung zu Gott erheben.
Durch seinen Gesang hielt er Verbindung mit dem Himmel, und
wenn seine Gefährten von ihrer Arbeit müde wurden und klagten, er-
munterte er sie durch die lieblichen Weisen aus seinem Munde. Sein
Lobpreis schien die bösen Geister zu bannen und seine Umgebung
wie der Weihrauch mit Wohlgeruch zu erfüllen. Die Gedanken seiner
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Zuhörer wurden aus ihrer irdischen Gebundenheit in die himmlische
Heimat versetzt.
Jesus war der Quell heilsamer Gnade für die Welt, und auch
während der Zeit seiner Zurückgezogenheit in Nazareth gingen von
seinem Leben Ströme des Mitgefühls und der Zärtlichkeit aus. Die
Betagten und Bekümmerten, die Schuldbeladenen, die fröhlich-