Seite 62 - Das Leben Jesu (1973)

Basic HTML-Version

58
Das Leben Jesu
harmlosen Kinder, die schwache Kreatur in den Hainen und die
geduldigen Lasttiere, sie alle wurden glücklicher durch seine Ge-
genwart. Er, dessen Machtwort die Welten trug, beugte sich herab,
einem verwundeten Vöglein zu helfen. Es gab nichts, was nicht
seiner Beachtung wert oder seines Dienstes würdig gewesen wäre.
Während Jesus so an Weisheit und körperlicher Größe zunahm,
nahm er auch zu an Gnade bei Gott und den Menschen. Weil er mit
allen zu fühlen vermochte, erwarb er sich auch die Liebe aller. Die
Atmosphäre von Hoffnung und Mut, die ihn umgab, ließ ihn in jedem
Heim zum Segen werden. Oft forderte man ihn am Sabbat in der
Synagoge auf, den vorgeschriebenen Abschnitt aus den Schriften der
Propheten zu lesen. Während er las, wurden die Herzen der Zuhörer
ergriffen, da ihnen ein neues Licht aus den altvertrauten Worten des
heiligen Textes entgegenstrahlte.
Doch Jesus vermied es, Aufsehen zu erregen. Während der vielen
Jahre seines Aufenthaltes in Nazareth ließ er seine Wunder wirkende
Macht nicht offenbar werden. Er trachtete weder nach einer angese-
henen Stellung, noch legte er sich hochklingende Namen bei. Still
und bescheiden lebte er dahin. Selbst die Schrift schweigt über seine
Jugendjahre. Damit erteilt sie uns eine wichtige Lehre. Je mehr sich
das Leben eines Kindes in der Stille und Zurückgezogenheit — frei
von aller vorsätzlichen Beunruhigung und möglichst im Einklang
mit der Natur — abspielt, desto günstiger sind die Aussichten für
seine körperliche Erstarkung und geistige Entwicklung.
Jesus ist unser Vorbild. Doch während sich viele Menschen gern
mit der Zeit seines öffentlichen Wirkens befassen, lassen sie die Leh-
ren seiner Jugendjahre meist unbeachtet. Aber gerade mit seinem
Verhalten im häuslichen Kreise ist er den Kindern und der Jugend
ein Vorbild. Der Heiland wurde arm, um uns zu lehren, wie wir auch
[58]
unter bescheidenen Verhältnissen ein Leben inniger Gemeinschaft
mit Gott führen können. Er lebte, seinen Vater im Getriebe des All-
tags zu erfreuen, ihn zu ehren und zu verherrlichen. Er begann seine
Aufgabe damit, daß er dem Stande des kleinen Handwerkers, der
sich schwer für sein tägliches Brot abmühen muß, besondere Wei-
he verlieh. Er diente Gott geradeso gut, wenn er an der Hobelbank
schaffte, als wenn er unter der Volksmenge Wunder wirkte. Welches
junge Menschenkind nach dem Beispiel Jesu treu und gehorsam den
Pflichten seiner einfachen Häuslichkeit nachkommt, darf daher auch