Seite 161 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Jakob und Esau
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Verpflichtungen, denn wer den Segen erbte, mußte sein Leben in
besonderer Weise dem Dienste Gottes weihen. Wie einst Abraham
mußte er seinen Geboten gehorchen. Bei der Eheschließung, in allen
häuslichen Angelegenheiten und im öffentlichen Leben mußte er
den Willen Gottes zu Rate ziehen.
Isaak machte seine Söhne mit diesen Rechten und Bedingungen
vertraut und erklärte ihnen ganz deutlich, daß Esau als der Ältere
Anspruch auf das Erstgeburtsrecht habe. Aber Esau hatte weder
Neigung zur Frömmigkeit noch zum geistlichen Leben. Die mit dem
Erstgeburtsrecht verbundenen Bedingungen waren ihm ein lästiger
und geradezu verhaßter Zwang. Esau empfand Gottes Gesetz, das
die Bedingung des göttlichen Bundes mit Abraham gewesen war, als
ein Joch. Mit seinem Hang zur Zügellosigkeit begehrte er nichts so
sehr wie die Freiheit, tun und lassen zu können, was er wollte. Für
ihn waren Macht und Reichtum, Gelage und Lustbarkeiten gleich-
bedeutend mit einem glücklichen Leben. Rebekka erinnerte sich
jetzt der Worte des Engels, und sie deutete mit größerem Scharfblick
als ihr Mann die Charakterzüge ihrer Söhne. Sie kam zu der Über-
zeugung, daß das Erbe der göttlichen Verheißung Jakob bestimmt
war. Deshalb wiederholte sie Isaak die Worte des Engels, aber die
Zuneigung des Vaters gehörte nun einmal dem älteren Sohn, und er
blieb beharrlich bei seiner Absicht.
Jakob wußte durch die Mutter von der göttlichen Ankündigung,
daß ihm das Erstgeburtsrecht zufallen sollte. Und er war von un-
sagbarem Verlangen nach den Vorrechten erfüllt, die ihm damit
übertragen würden. Nicht, daß er nach dem Reichtum des Vaters
strebte; das Ziel seiner Sehnsucht galt vielmehr dem geistlichen Erst-
geburtsrecht. Mit Gott in der Weise zu verkehren, wie es der gerechte
Abraham erlebt hatte, das Versöhnungsopfer für die Familie darzu-
bringen, der Ahnherr des erwählten Volkes und des verheißenen
Messias zu sein — das waren Gnadengaben, die er sich brennend
wünschte. Sie schlossen ja das Erbe der unvergänglichen Besitztü-
mer und den Segen des Bundes ein. Seine Gedanken gingen immer
wieder in die Zukunft, und er trachtete nach ihren noch verborgenen
Segnungen.
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Mit heimlichem Verlangen nahm er alles auf, was sein Vater über
die geistliche Bedeutung des Erstgeburtsrechts sagte, und genauso
sorgfältig hütete er, was er von der Mutter erfuhr. Unablässig be-