Seite 192 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
Tages von einem Traum erzählte, den er gehabt hatte: „Siehe, wir
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banden Garben auf dem Felde, und meine Garbe richtete sich auf
und stand, aber eure Garben stellten sich ringsumher und neigten
sich vor meiner Garbe.“
1.Mose 37,7
.
„Willst du unser König werden und über uns herrschen?“ (
1.Mo-
se 37,8
) schrien seine Brüder ihn voll Zorn und Mißgunst an.
Bald darauf hatte er einen anderen Traum von ähnlicher Bedeu-
tung, den er ihnen ebenfalls erzählte: „Siehe, die Sonne und der
Mond und elf Sterne neigten sich vor mir.“ Dieser Traum ließ sich
wie der erste mit Leichtigkeit auslegen. Vorwurfsvoll wies ihn sogar
der gerade anwesende Vater zurecht: „Was ist das für ein Traum, den
du geträumt hast? Soll ich und deine Mutter und deine Brüder kom-
men und vor dir niederfallen?“
1.Mose 37,9.10
. Trotz der scheinbar
strengen Worte war er jedoch überzeugt, daß der Herr Joseph die
Zukunft offenbart habe.
Als der junge Mann so vor seinen Brüdern stand und sein schö-
nes Gesicht von innerer Erleuchtung durch den Geist Gottes strahl-
te, konnten selbst sie ihre Bewunderung nicht verbergen. Aber sie
wollten ihrem gottlosen Wandel nicht entsagen. Sie haßten diese
Unschuld, die ihren Sünden ein Vorwurf war. Derselbe Geist, der
bei Kain die treibende Kraft war, stachelte auch sie an.
Um Weideland für die Herden zu finden, mußten die Brüder um-
herziehen und waren oft alle monatelang von zu Hause fort. Nach
den eben erzählten Vorfällen kamen sie in die Nähe von Sichem, wo
ihr Vater Land gekauft hatte. Als aber nach geraumer Zeit kein Le-
benszeichen von ihnen eintraf, wurde er um ihre Sicherheit besorgt.
Er dachte an ihre Grausamkeit, die sie damals an den Einwohnern
Sichems verübt hatten. Deshalb schickte er Joseph aus, um sie zu
suchen und ihm Nachricht über ihr Ergehen zu bringen. Hätte Jakob
die wahren Gefühle seiner Söhne für Joseph gekannt, hätte er ihn
keinesfalls ihnen anvertraut. Aber darüber hatten sie wohlweislich
geschwiegen.
Fröhlich schied Joseph von seinem Vater, und weder der alte
Mann noch der Jüngling hätten sich träumen lassen, was bis zu
ihrem Wiedersehen alles geschehen würde. Als Joseph nach langer,
einsamer Wanderung nach Sichem kam, fand er seine Brüder und
ihre Herden dort nicht mehr vor. Auf Befragen wies man ihn nach
Dothan. Über 80 km war er bereits gelaufen und jetzt hatte er noch