Seite 191 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Die Rückkehr nach Kanaan
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heiligsten Bande. Die Eifersucht der verschiedenen Mütter verbit-
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terte das ganze Familienleben. Die Kinder wurden streitsüchtig und
wehrten sich gegen Aufsicht, so daß Sorge und Kummer das Leben
des Vaters trübten.
Einer aber war so ganz anders — Rahels älterer Sohn Joseph.
Seine ungewöhnliche körperliche Schönheit schien ein Spiegelbild
seines Inneren zu sein. Rührig und fröhlich bewies der Junge auch
schon früh sittlichen Ernst und Festigkeit. Er lauschte den Unterwei-
sungen seines Vaters und gab sich alle Mühe, Gott zu gehorchen.
Was später in Ägypten an ihm so angenehm auffiel, Freundlichkeit,
Pflichttreue und Wahrhaftigkeit, spürte man schon jetzt im täglichen
Leben. Weil seine Mutter tot war, hing er um so inniger am Vater.
Und auch Jakob war diesem Sohn seines Alters besonders zugetan.
Er „hatte Joseph lieber als alle seine Söhne“.
1.Mose 37,3
.
Doch selbst dieses Glück sollte Kummer und Leid verursachen.
Freilich war es unklug von Jakob, seine Vorliebe für Joseph so deut-
lich zu zeigen. Das erregte natürlich die Eifersucht der anderen
Söhne. Joseph beunruhigte das schlechte Betragen seiner Brüder
sehr. Darum wagte er es, ihnen freundliche Vorhaltungen zu ma-
chen. Aber dadurch erweckte er noch mehr Groll und Haß in ihnen.
Er konnte ihr sündhaftes Verhalten nicht mit ansehen und sprach
mit dem Vater darüber in der Hoffnung, daß seine Autorität sie zur
Besinnung brächte.
Jakob war sehr darauf bedacht, weder durch Strenge noch durch
Härte ihren Zorn zu reizen. Aber tiefbetrübt äußerte er, wie besorgt
er wegen seiner Kinder sei. Er bat sie dringend, doch Rücksicht zu
nehmen auf seine grauen Haare, seinem Namen keine Schande zu
machen, vor allem aber Gott nicht durch solche Mißachtung seiner
Gebote zu entehren. Scheinbar beschämt darüber, daß der Vater um
ihre Bosheit wußte, erweckten die jungen Männer den Eindruck,
als empfänden sie Reue. Doch verheimlichten sie nur ihre wahren
Gefühle, die durch die Bloßstellung um so bösartiger wurden.
Daß der Vater Joseph auch noch einen kostbaren Überrock
schenkte, wie ihn eigentlich nur Leute von Rang trugen, war eben-
so unklug. In den Augen der Söhne war das ein erneuter Beweis
seiner Parteilichkeit. Es weckte den Verdacht bei ihnen, er wolle
die älteren Kinder übergehen und das Erstgeburtsrecht dem Soh-
ne Rahels verleihen. Ihr Groll steigerte sich noch, als Joseph eines