Seite 283 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Vom Roten Meer zum Sinai
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die Ratschläge des frommen Priesters aus Midian und übernahm
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seinen Plan als eine kluge Einrichtung.
Von Raphidim zog das Volk weiter und folgte immer der Wol-
kensäule. Bis dahin hatte sein Weg durch unfruchtbare Ebenen,
über steile Anhöhen und durch felsige Gebirgspässe geführt. Beim
Durchwandern der Sandwüsten hatten die Hebräer oft schroffe Ge-
birgszüge, die riesigen Bollwerken glichen, gesehen. Sie stiegen
unmittelbar vor ihnen auf und schienen jeden Weitermarsch un-
möglich zu machen. Beim Näherkommen aber wurden Felsspalten
sichtbar, hinter denen sich dem Auge eine andere Ebene auftat. Jetzt
ging‘s durch einen tiefen eingeschnittenen, geröllhaltigen Paß. Es
war ein großartiger, ein beeindruckender Anblick. Zwischen den
Felsenhängen, die zu beiden Seiten Hunderte von Metern hoch auf-
stiegen, zogen in weitem Strom die Scharen Israels mit ihren Herden
dahin. Und nun ragte das Sinaimassiv in Ehrfurcht gebietender Ma-
jestät vor ihnen auf. Die Wolkensäule ruhte auf seinem Gipfel, und
das Volk schlug unterhalb im Tal seine Zelte auf. Fast ein Jahr lang
sollten sie hier wohnen. Des Nachts war ihnen die Feuersäule Ge-
wißheit des göttlichen Schutzes, und während sie schliefen, fiel das
Himmelsbrot leise auf das Lager.
In der Morgendämmerung glänzten die dunklen Bergkuppen wie
vergoldet, und die hellen Sonnenstrahlen durchdrangen die tiefen
Schluchten. Sie kamen den müden Wanderern vor wie Lichtstrahlen
der Gnade vom Throne Gottes. Allenthalben schienen die gewaltigen
Felsgipfel in ihrer einsamen Größe von Ewigkeit und Majestät zu
sprechen. Hier wurde die Seele von feierlicher Ehrfurcht ergriffen.
In der Gegenwart dessen, der „die Berge mit einem Gewicht“ wiegt
und „die Hügel mit einer Waage“ (
Jesaja 40,12
), mußte der Mensch
seine Unwissenheit und Schwachheit empfinden. Hier sollte Israel
die wunderbarste Offenbarung empfangen, die Gott jemals Men-
schen mitteilte. Hier versammelte der Herr sein Volk, um ihm die
ewige Gültigkeit seiner Forderungen einzuprägen, indem er ihm sein
heiliges Gesetz mit eigener Stimme verkündete. Eine gründliche
Wandlung sollte in den Israeliten vor sich gehen, denn die herab-
ziehenden Einflüsse der Knechtschaft und die ständige Verbindung
mit dem Götzendienst hatten in Charakter und Gewohnheiten ihre
Spuren hinterlassen. Mit der besseren Gotteserkenntnis wollte Jahwe
sie auf einen höheren sittlichen Stand heben.
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