Seite 361 - Patriarchen und Propheten (1999)

Basic HTML-Version

Vom Sinai nach Kadesch
357
melt, um ihm abseits von allen andern Völkern sein heiliges Gesetz
zu wiederholen. Sie hatten eine Vorliebe für den heiligen Berg, auf
dessen ehrwürdigem Gipfel und kahlen Felsgraten sich Gottes Herr-
lichkeit wiederholt offenbarte. Die ganze Landschaft war mit der
Gegenwart Gottes und seiner heiligen Engel so sehr verbunden, daß
sie ihnen zu heilig erschien, als daß man sie gedankenlos oder gar
mit Freude hätte verlassen können.
Aber auf das Zeichen der Trompeter stellte sich das ganze Lager
auf, in der Mitte die Stiftshütte, und jeder Stamm an der ihm ange-
wiesenen Stelle unter seinem eigenen Banner; aller Augen voller
Erwartung, in welche Richtung die Wolke führen würde. Als sie sich
ostwärts bewegte, wo sich nur schwarze, öde Bergmassive drängten,
kam in manchen ein Gefühl von Trauer und Zweifel auf.
Als es voranging, wurde der Weg immer beschwerlicher. Es ging
durch steinige Hohlwege und unfruchtbare Wüste. Ringsum ausge-
dehnte Wildnis, zogen sie im „wilden, ungebahnten Lande“, im dür-
ren und finsteren Lande, „im Lande, das niemand durchwandert und
kein Mensch bewohnt“.
Jeremia 2,6
. Die felsigen Bergschluchten
waren allenthalben gedrängt voll von Männern, Frauen und Kindern,
von Tieren, Wagen und langen Reihen Groß- und Kleinvieh. Dabei
war es einfach unvermeidlich, daß sie nur langsam und mit Mühe
vorwärts kamen. Und nach der langen Lagerzeit war die Menge auch
nicht mehr auf Gefahren und Verdrießlichkeiten dieses Marsches
eingestellt.
Nach drei Tagen hörte man lautes Klagen. Es kam aus dem
fremden Volk, von dem viele noch nicht recht mit Israel verwachsen
waren und die ständig einen Grund zum Kritisieren suchten. Ihren
Beschwerdeführern gefiel die Marschrichtung nicht. Fortwährend
hatten sie etwas auszusetzen an der Art, wie Mose sie führte, ob-
wohl sie genau wußten, daß er ebenso wie sie der wegweisenden
Wolke nachging. Unzufriedenheit ist ansteckend, und bald griff sie
im ganzen Lager um sich.
Wieder schrien die Wandernden nach Fleisch. Obwohl sie reich-
lich mit Manna versorgt wurden, waren sie nicht zufrieden. Während
ihrer Knechtschaft in Ägypten mußten die Israeliten von der einfach-
sten Nahrung leben. Aber Entbehrung und schwere Arbeit machten
hungrig und hatten sie ihnen schmackhaft gemacht. Viele Ägypter,
die jetzt unter ihnen lebten, waren üppige Kost gewöhnt; und sie