Seite 429 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Bileam
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Gottes zu tun, er wollte vielmehr eigene Wege gehen, für diese aber
die Zustimmung des Herrn erlangen.
Es gibt heute Tausende, deren Leben einen ganz ähnlichen Ver-
lauf nimmt. Sie würden den Wert moralischer Verpflichtungen durch-
aus einsehen, wenn diese nur mit ihren Neigungen übereinstimmten.
Entweder spricht die Bibel ganz klar darüber, oder Umstände und
Vernunft machen sie ihnen deutlich. Aber wenn diese Erkenntnis-
se ihren Wünschen und Veranlagungen widersprechen, verdrängen
sie sie häufig, wagen dann aber noch, Gott nach ihren Pflichten zu
fragen. Mit scheinbar großer Gewissenhaftigkeit beten sie lange
und ernsthaft um Erkenntnis. Aber Gott läßt sich nicht spotten. Oft
duldet er, daß sich solche Menschen nach ihren Wünschen richten,
aber die Folgen müssen sie selber tragen. „Mein Volk gehorcht nicht
meiner Stimme ... So hab ich sie dahingegeben in die Verstocktheit
ihres Herzens, daß sie wandeln nach eigenem Rat.“
Psalm 81,12.13
.
Wer eine Aufgabe klar erkennt, soll sich nicht erdreisten, Gott zu
bitten, er möge ihm die Erfüllung erlassen. Er bete vielmehr demütig
und gehorsam um Kraft und Weisheit, ihren Anforderungen gerecht
werden zu können.
Die Moabiter waren ein ganz entartetes, abgöttisches Volk; und
doch war ihre Schuld, an der empfangenen Erkenntnis gemessen,
in den Augen des Himmels nicht so groß wie die Bileams. Da er
versicherte, ein Prophet Gottes zu sein, mußte man auch alles, was er
sagte, als von göttlicher Autorität gesprochen ansehen. Deshalb durf-
te er nicht reden, wie er wollte, sondern mußte verkünden, was Gott
ihm eingab. „Nur was ich dir sagen werde, sollst du tun“ (
4.Mose
22,20
), hieß der göttliche Befehl.
Bileam hatte nun die Erlaubnis erhalten, Moabs Gesandte zu
begleiten, wenn sie ihn am andern Morgen aufsuchen würden. Aber
verärgert über sein Zögern und weil sie wieder eine Absage be-
fürchteten, waren sie ohne weitere Beratung mit ihm heimgezogen.
Damit erübrigte sich jeder Entschuldigungsgrund, der Bitte Balaks
nachzukommen. Aber Bileam wollte sich unbedingt die Belohnung
verschaffen; und so machte er sich mit seinem gewohnten Reittier
auf den Weg. Er fürchtete, Gott könne seine Einwilligung zurückzie-
hen; deshalb drängte er ungeduldig vorwärts, damit ihm der begehrte
Lohn nicht doch noch entginge.