Seite 553 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Simson
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verletzt. Und wie lange hatte Gott trotzdem Geduld mit ihm! Aber
als Simson der Sünde so weit erlag, daß er sein Geheimnis preisgab,
verließ ihn der Herr. Nicht in seinem langen Haar lag die Kraft, aber
es war ein Zeichen seiner Treue zu Gott. Als er in seiner Leidenschaft
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dieses Sinnbild verriet, hatte er auch den Segen verwirkt, für den es
ein Zeichen gewesen war.
Eine Belustigung für die Philister, wurde sich Simson in Leid
und Erniedrigung seiner Schwachheit mehr als je zuvor bewußt, und
sein Elend brachte ihn zur Reue. Als sein Haar wuchs, kehrte auch
seine Stärke allmählich wieder; aber seine Feinde sahen in ihm den
gefesselten, hilflosen Gefangenen und fürchteten ihn nicht mehr.
Die Philister schrieben diesen Sieg natürlich ihren Göttern zu,
und jubelnd forderten sie den Gott Israels heraus. Sie veranstalteten
ein Fest zu Ehren des Fischgottes Dagon, des „Beschützers des
Meeres“. Aus Stadt und Land kamen Volk und Fürsten der Philister
zusammen. Scharen von Anbetern füllten den riesigen Tempel und
drängten sich auf den Dachgalerien. Überall herrschte Feststimmung.
Auf den Prunk des Opferritus folgten Musik und Festschmaus. Dann
brachte man als Dagons krönendes Siegeszeichen Simson herein.
Triumphgeschrei begrüßte sein Erscheinen. Volk und Herrscher
höhnten über sein Elend und huldigten dem Gott, der den „Verwüster
ihres Landes“ überwunden hatte.
Nach einer Weile bat Simson, als sei er müde, sich an die beiden
Hauptsäulen lehnen zu dürfen, die das Tempeldach trugen. Dann
betete er still: „Herr Herr, denke an mich und gib mir Kraft, Gott,
noch dies eine Mal, damit ich mich für meine beiden Augen einmal
räche an den Philistern!“ Bei diesen Worten umfaßte er die Säulen
mit seinen kräftigen Armen und rief: „Ich will sterben mit den
Philistern!“ Er krümmte sich, das Dach stürzte ein und begrub mit
lautem Krachen die große Menschenmenge unter sich, „so daß es
mehr Tote waren, die er durch seinen Tod tötete, als die er zu seinen
Lebzeiten getötet hatte“.
Das Götterbild und seine Anbeter — Priester, Bauern, Krieger
und Edelleute — wurden von den Trümmern des Dagontempels
erschlagen. Und unter ihnen lag die Riesengestalt Simsons, den Gott
zum Befreier seines Volkes ausersehen hatte. Die Nachricht von dem
schrecklichen Geschehen drang bis nach Israel. Da kamen seine
Verwandten von ihren Bergen herab und bargen, ohne Widerstand