Seite 591 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Israels erster König
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Amt des Richters, Priesters und Propheten betraut. Und er arbeite-
te mit so unermüdlichem, selbstlosem Eifer für das Wohlergehen
des Volkes, daß es ihm unter seiner klugen Führung gut ging. Die
Ordnung war wiederhergestellt, die Frömmigkeit nahm zu, und der
Geist der Unzufriedenheit verstummte eine Zeitlang. Aber mit zu-
nehmendem Alter war der Prophet genötigt, die Regierungssorgen
mit andern zu teilen, und er bestimmte seine beiden Söhne dazu, ihn
zu entlasten. Während Samuel seine Amtspflichten weiter in Rama
versah, wies er den beiden jungen Männern Beerseba zu, um an der
Südgrenze des Landes unter dem Volk Recht zu sprechen.
Samuel setzte seine Söhne mit uneingeschränkter Zustimmung
des Volkes ein, aber es stellte sich bald heraus, daß sie der väterli-
chen Wahl nicht würdig waren. Der Herr hatte den Obersten seines
Volkes durch Mose genaue Anweisungen gegeben, wie sie Israel ge-
wissenhaft richten, vor allem Witwen und Waisen gerecht behandeln
und sich nicht bestechen lassen sollten. Aber Samuels Söhne „such-
ten ihren Vorteil und nahmen Geschenke und beugten das Recht“.
1.Samuel 8,3
. Sie beachteten die Vorschriften nicht, die er ihnen
einzuprägen versucht hatte, noch weniger nahmen sie sich das reine,
selbstlose Leben ihres Vaters zum Vorbild. Andererseits wirkte die
Warnung an Eli nicht in dem wünschenswerten Maße auf Samuel.
Auch er war viel zu nachsichtig mit seinen Söhnen gewesen, und
die Folgen zeigten sich jetzt in ihrem Charakter und Lebenswandel.
Die Ungerechtigkeit dieser Richter verursachte viel Unzufrie-
denheit und bot den gewünschten Vorwand für die Änderung, nach
der sie insgeheim schon lange suchten. „Da versammelten sich alle
Ältesten Israels und kamen nach Rama zu Samuel und sprachen zu
ihm: Siehe, du bist alt geworden, und deine Söhne wandeln nicht in
deinen Wegen. So setze nun einen König über uns, der uns richte,
wie ihn alle Heiden haben.“
1.Samuel 8,4.5
. Leider hatte Samuel nie
etwas von den Rechtsbrüchen im Volk gehört. Wäre ihm das üble
Treiben seiner Söhne bekannt gewesen, hätte er sie sofort abgesetzt;
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aber das wollten die Bittsteller ja gar nicht. Samuel durchschaute,
daß deren wahre Beweggründe Unzufriedenheit und Stolz waren; ihr
Begehren entsprang einer wohlüberlegten, beschlossenen Absicht.
Man erhob dabei keineswegs Klage gegen ihn selbst. Die Lauterkeit
seiner klugen Verwaltung erkannten alle an, und doch sah der be-
jahrte Prophet in der Forderung Kritik an sich selbst und das offene