Seite 596 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
in die Nähe von Rama, Samuels Heimat, kamen, schlug der Knecht
vor, den Propheten nach dem vermißten Eigentum zu fragen. „Ich
hab einen Viertel-Silbertaler bei mir“, sagte er, „den wollen wir
dem Mann Gottes geben, daß er uns unsern Weg sage.“
1.Samuel
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. Das entsprach der Sitte der Zeit. Wenn man eine im Rang oder
Amt höhere Person ansprach, machte man ihr als Ausdruck der
Hochachtung ein kleines Geschenk.
Als sie sich der Stadt näherten, begegneten ihnen ein paar junge
Mädchen, die Wasser schöpfen wollten; die fragten sie nach dem
Seher. Sie erwiderten, es werde gleich ein Gottesdienst stattfinden,
und der Prophet sei schon angekommen. Auf der „Höhe“ werde ein
Opfer dargebracht, und danach fände ein Fest statt. Unter Samu-
els Amtsführung war eine große Veränderung vor sich gegangen.
Zu der Zeit, als Gott ihn berief, wurden die Opfer am Heiligtum
geringschätzig angesehen. „Sie verachteten das Opfer des Herrn.“
Aber jetzt wurde die Anbetung Gottes im ganzen Lande hochgehal-
ten, und das Volk nahm regen Anteil am religiösen Leben. Da es
keinen Dienst an der Stiftshütte gab, wurden die Opfer anderwärts
dargebracht, in den Städten der Priester und Leviten, wo das Volk
Belehrung suchte. Aber im allgemeinen wählte man die höchsten
Erhebungen als Opferstätten, daher nannte man sie „Höhen“.
Am Stadttor traf Saul den Propheten selbst. Gott hatte Samuel
offenbart, daß sich der erwählte König Israels um diese Zeit bei ihm
einfinden würde. Als sie sich nun Auge in Auge gegenüber standen,
sprach der Herr zu Samuel: „Siehe, das ist der Mann, von dem ich
dir gesagt habe, daß er über mein Volk herrschen soll.“
Auf Sauls Bitte „Sage mir, wo ist hier das Haus des Sehers?“
erwiderte Samuel: „Ich bin der Seher.“ Er versicherte ihm auch, daß
die verlorenen Tiere gefunden seien, und nötigte ihn, zu bleiben und
das Fest zu besuchen. Gleichzeitig deutete er ihm seine bevorstehen-
de hohe Bestimmung an: „Wem gehört denn alles, was wertvoll ist
in Israel? Gehört es nicht dir und dem ganzen Hause deines Vaters?“
Der Aufhorchende erbebte bei den Worten des Propheten. Er ahnte
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ihre Bedeutung, denn die Frage nach einem König war für das ganze
Volk zu einer überaus wichtigen Angelegenheit geworden. Doch in
bescheidener Selbstunterschätzung erwiderte Saul: „Bin ich nicht
ein Benjamiter und aus einem der kleinsten Stämme Israels, und
ist nicht mein Geschlecht das geringste unter allen Geschlechtern