Seite 610 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
geratenen Philister flohen, fügte Sauls Heer ihnen schwere Verluste
zu.
Um seinen Vorteil ganz auszunutzen, gebot der König seinen
Kriegern übereilt, den ganzen Tag nichts zu essen, und bekräftigte
seinen Befehl mit der wichtigtuerischen Verwünschung: „Verflucht
sei jedermann, der etwas ißt bis zum Abend, bis ich mich an meinen
Feinden räche!“
1.Samuel 14,24
. Der Sieg war schon ohne Sauls
Wissen und Mitwirkung errungen, aber er hoffte, sich noch durch
die völlige Vernichtung der Besiegten hervorzutun. Den unverständ-
lichen Befehl, sich der Nahrung zu enthalten, gab der König nur aus
persönlichem Ehrgeiz, und er zeigte damit, daß ihm die Bedürfnisse
seines Volkes gleichgültig waren, wenn es um seine eigene Ehre
ging. Und dies Verbot bekräftigte er auch noch mit einem feierlichen
Eid. Wie übereilt und lästerlich! Gerade der Fluch bewies, daß Saul
nur für sich selbst eiferte und nicht für die Ehre Gottes. Als Zweck
gab er nicht an, „daß der Herr an seinen Feinden gerächt werde“,
sondern „bis ich mich an meinen Feinden räche“.
Die Folge war, daß sie Gottes Gebot übertraten. Sie hatten den
ganzen Tag im Kampfe gestanden und waren nun erschöpft vor
Hunger. Kaum war daher die vorgeschriebene Zeit vorbei, fielen
sie über die Beute her, verschlangen das Fleisch mit dem Blute und
versündigten sich dadurch; denn das Gesetz verbot den Genuß von
Blut. Jonathan aber wußte von dem Befehl des Königs nichts. So
verletzte er an diesem Kampftage dessen Gebot unwissentlich, als er
beim Durchstreifen eines Waldes Honig aß. Saul erfuhr es schon am
Abend. Er hatte bekanntgeben lassen, daß jede Mißachtung mit dem
Tode bestraft würde. Obwohl Jonathan kein vorsätzliches Unrecht
begangen hatte und Gott ihn wunderbar beschützt und durch ihn
Befreiung geschenkt hatte, erklärte der König, das Urteil müsse
vollstreckt werden. Das Leben seines Sohnes zu schonen, wäre
gleichbedeutend gewesen mit dem Eingeständnis, daß er sich mit
dem voreiligen Schwur versündigte. Und das mußte seinen Stolz
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demütigen. Also lautete sein schreckliches Urteil: „Gott tue mir dies
und das; Jonathan, du mußt des Todes sterben!“
1.Samuel 14,44
.
Wenn er schon keinen Siegesruhm für sich beanspruchen konnte,
so hoffte Saul für den Eifer, mit dem er die Heiligkeit des Eides
hochhielt, Achtung zu erzielen. Selbst um den Preis des eigenen
Sohnes wollte er seinen Untertanen deutlich machen, daß des Königs