Seite 624 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Patriarchen und Propheten
nach Größe und Aussehen am meisten. Seine angenehmen Gesichts-
züge und seine gutgewachsene Gestalt zogen die Aufmerksamkeit
des Propheten sofort auf sich. Als er die geradezu fürstliche Haltung
an ihm wahrnahm, dachte er: „Fürwahr, da steht vor dem Herrn sein
Gesalbter“ (
1.Samuel 16,6
) und erwartete die göttliche Zustimmung
für ihn. Aber Jahwe sah nicht auf die äußere Erscheinung. Eliab
fürchtete den Herrn nicht. Hätte er den Thron bestiegen, wäre aus
ihm ein stolzer, anspruchsvoller Herrscher geworden. Gott sprach
zu Samuel: „Sieh nicht an sein Aussehen und seinen hohen Wuchs;
ich habe ihn verworfen. Denn nicht sieht der Herr auf das, worauf
ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr
aber sieht das Herz an.“
1.Samuel 16,7
. Äußere Schönheit macht
niemanden vor Gott angenehm. Weisheit und guter Charakter verlei-
hen dem Menschen wahre Schönheit. Allein die inneren Werte sind
entscheidende Vorzüge für unsere Annahme bei Gott. Das sollten
wir sehr bedenken, wenn wir uns und andere beurteilen. Samuels
Irrtum zeigt, wie nichtig eine Meinungsbildung ist, die sich von
einem schönen Gesicht oder einer ansehnlichen Gestalt beeinflus-
sen läßt. Man erkennt, wie mangelhaft menschliche Weisheit, ohne
besondere Erleuchtung von oben her, die Geheimnisse des Herzens
zu erfassen oder Gottes Ratschlüsse zu begreifen vermag. Gottes
Gedanken und Wege mit seinen Geschöpfen gehen über unser be-
grenztes Verständnis hinaus. Aber wir können sicher sein, daß seine
Kinder am entsprechenden Platz die ihnen anvertrauten Aufgaben er-
füllen können, wenn sie sich nur dem göttlichen Willen unterstellen.
Dann werden seine segensreichen Pläne nicht durch menschliche
Unzulänglichkeit vereitelt.
Eliab schied also aus. Darauf beobachtete der Prophet mit prü-
fendem Blick der Reihe nach die sechs Brüder, die ebenfalls dem
Opfer beigewohnt hatten. Aber bei keinem gab der Herr zu erken-
nen, daß er ihn erwählt habe. In schmerzlicher Ungewißheit schaute
Samuel auf den letzten jungen Mann. Verwirrt und bestürzt fragte er
Isai: „Sind das die Knaben alle?“ Der Vater antwortete: „Es ist noch
übrig der jüngste; siehe, er hütet die Schafe.“ Samuel befahl, auch
ihn zu rufen, und sagte: „Wir werden uns nicht wieder setzen, bis er
hierherkommt.“
1.Samuel 16,11
.
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Der einsame Hirte wurde von dem unerwarteten Ruf des Boten
aufgeschreckt, der ihm die Nachricht brachte, der Prophet sei nach