Seite 639 - Patriarchen und Propheten (1999)

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David als Flüchtling
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sich auf dem Felde nicht weit von der Festhalle verborgen halten und
der Gegenwart des Königs drei Tage fernbleiben. Jonathan wollte
die Wirkung auf Saul beobachten. Falls der König fragte, wo sich
Isais Sohn aufhielte, sollte Jonathan sagen, er sei zu seinem Vater
gegangen, um dort dem Opferfest beizuwohnen. Verriet der König
keinerlei Ärger, sondern sagte: „Es ist recht“ (
1.Samuel 20,7
), konnte
David beruhigt an den Hof zurückkehren. Wenn er aber über seine
Abwesenheit in Zorn geriet, mußte David fliehen.
Am ersten Festtage übersah der König Davids Abwesenheit.
Als aber sein Platz auch am zweiten Tage leer blieb, forschte er:
„Warum ist der Sohn Isais nicht zu Tisch gekommen, weder gestern
noch heute?“ Jonathan antwortete: „Er bat mich sehr, daß er nach
Bethlehem gehen dürfe, und sprach: Laß mich hingehen, denn unser
Geschlecht hat zu opfern in der Stadt, und mein Bruder hat mir‘s
selbst geboten. Hab ich nun Gnade vor deinen Augen gefunden,
so laß mich hingehen und meine Brüder sehen. Darum ist er nicht
zum Tisch des Königs gekommen.“
1.Samuel 20,27-29
. Als Saul
das hörte, geriet er in unbändigen Zorn und behauptete, so lange
David lebe, könne Jonathan den Thron in Israel nicht besteigen. Er
befahl, sofort nach David zu schicken, um ihn zu töten. Wieder trat
Jonathan bittend für seinen Freund ein: „Warum soll er sterben?
Was hat er getan?“
1.Samuel 20,32
. Diese Fragen versetzten den
König geradezu in satanische Wut, und er schleuderte den für David
bestimmten Speer auf seinen eigenen Sohn.
Höchst erregt und zugleich bekümmert verließ der Prinz die
königliche Tafel und nahm nicht länger am Fest teil. Er war schwer
bedrückt, als er David zur festgesetzten Zeit in seinem Versteck
aufsuchte, um ihn über des Königs Gesinnung gegen ihn aufzuklären.
Sie fielen einander um den Hals und weinten bitterlich. Die finstere
Leidenschaft des Monarchen überschattete das Leben der beiden
jungen Männer; sie fanden kaum Worte in ihrem Schmerz. Das
letzte, was David von Jonathan hörte, ehe sich ihre Wege trennten,
war: „Geh hin mit Frieden! Für das, was wir beide geschworen
haben im Namen des Herrn, dafür stehe der Herr zwischen mir und
dir, zwischen meinen Nachkommen und deinen Nachkommen in
Ewigkeit.“
1.Samuel 20,42
.
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Der Königssohn kehrte nach Gibea zurück, David aber eilte nach
Nob, einer Stadt Benjamins, die nur wenige Kilometer von Gibea