Seite 715 - Patriarchen und Propheten (1999)

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Absaloms Aufruhr
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den dunkelsten Gerichtsstunden läßt sich die Entwicklung seiner
barmherzigen Absichten verfolgen. Gott ließ David unter der Zucht
gehen, aber er vertilgte ihn nicht. Der Schmelzofen soll läutern, nicht
verzehren. Der Herr sagt: „Wenn sie meine Ordnungen entheiligen
und meine Gebote nicht halten, so will ich ihre Sünde mit der Rute
heimsuchen und ihre Missetat mit Plagen; aber meine Gnade will
ich nicht von ihm wenden und meine Treue nicht brechen.“
Psalm
89,32-34
.
Kaum hatte David Jerusalem verlassen, da zog Absalom mit
seinem Heere ein und nahm Israels Festung kampflos in Besitz.
Einer der ersten, die den neu gekrönten Monarchen grüßten, war
Huschai. Der Fürst war überrascht und befriedigt darüber, denn
Huschai war ja ein alter Freund und Ratgeber seines Vaters. Absalom
schaute zuversichtlich in die Zukunft. Bis jetzt waren ihm seine
Pläne geglückt, und in dem Wunsch, seinen Thron zu festigen und
das Vertrauen des Volkes zu gewinnen, hieß er Huschai am Hofe
willkommen.
Absalom hatte sich mit einer großen Streitmacht umgeben. Aber
das waren zumeist kriegsungewohnte Männer, die bis dahin noch
keinen Kampf erlebt hatten. Ahithophel wußte sehr wohl, daß Da-
vids Lage keineswegs hoffnungslos war, denn noch war ihm ein
großer Teil des Volkes treu ergeben. Außerdem hielten bewährte
Kriegsleute fest zu ihm, und erfahrene, tüchtige Feldherren befehlig-
ten sein Heer. Ahithophel war sich auch darüber im klaren, daß nach
dem ersten Sturm der Begeisterung ein Rückschlag kommen konn-
te. Schlug der Aufstand fehl, so versöhnte sich Absalom vielleicht
wieder mit seinem Vater. Aber er, Ahithophel, als sein erster Berater
würde als Hauptschuldiger an der Empörung gelten; ihn träfe dann
die schwerste Strafe. Um ein Zurück Absaloms unmöglich zu ma-
chen, legte er ihm etwas nahe, das in den Augen des Volkes eine
Versöhnung ausschloß. Mit teuflischer List drängte dieser arglistige,
charakterlose Staatsmann Absalom dazu, dem Aufruhr die Blut-
schande hinzuzufügen. Vor aller Augen sollte er die Nebenfrauen
seines Vaters zu sich nehmen, wie das bei den morgenländischen
Völkern Sitte war, und damit deutlich machen, daß er dessen Thron
bestiegen habe. Absalom befolgte den niederträchtigen Rat. So er-
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füllte sich das Wort Gottes durch den Propheten an David: „Siehe,
ich will Unheil über dich kommen lassen aus deinem eigenen Hau-